Tonrohstoffe
Unter Tonrohstoffen versteht man landläufig „Ton“, eine weiche, erdige Masse, die man zu Gegenständen aller Art plastisch verformen kann und die sich dann – nach einem Brennvorgang im Ofen – in harte Keramik (altgriechisch „Keramos“: gebrannte Erde) verwandelt.
Die Herstellung von Keramik gehört zu den ältesten Kulturtechniken in der Menschheitsgeschichte. Den Möglichkeiten zur Aufbewahrung und Vorratshaltung von Nahrung verdanken die gebrannten Tonrohstoffen ihre enorme Verbreitung.
Tonrohstoffe wie die verschiedenen Tone, Lehme und Lösse zählen zum einen zu den sog. bildsamen keramischen Rohstoffen, die den keramischen Massen ihre charakteristische Plastizität und Verarbeitbarkeit verleihen. Aber auch während geologischer Prozesse zu Tonstein oder Tonschiefer verfestigte und veränderte Tonminerale zählen zu den Tonrohstoffen. Auch diese Rohstoffe können durch Aufmahlen keramisch genutzt werden oder finden wie spezielle Tonschiefer als „Dachschiefer“ Verwendung.
Basis und mengenmäßig dominant für Tonrohstoffe sind die verschiedensten Tonminerale. Es sind wasserhaltige Schichtsilikate, in deren Schichtgitter überwiegend Aluminium-, Eisen-, Magnesium- und Kaliumionen eingebaut sind. Von der Größe her können diese Mineralplättchen die für die Tonfraktion definierte Korngröße (< 2 µm) unter bestimmten Bildungsbedingungen auch überschreiten. „Reine Tone“, d.h. Tonablagerungen aus nur einem Tonmineral kommen in der Natur nur äußerst selten vor.
Die hessischen Tonrohstoffe haben z.T. sehr unterschiedliche Entstehungsgeschichten und Zusammensetzungen, von denen auch ihre technischen Eigenschaften und industriellen Einsatzbereiche abhängen. Hierzu finden sie Näheres im Fachbericht Tonrohstoffe.
Die Hauptverbreitungsgebiete der hessischen Tonrohstoffe (siehe Karte) und damit auch die Schwerpunkte der Abbaustellen liegen insbesondere im Westerwald, aber auch im Gießener Becken und in der Niederhessischen Senke, untergeordnet auch im Limburger Becken, in kleineren Senkungsgebieten des Taunus sowie in der Wetterauer Perm-Scholle.
Die Ton-Lagerstätten bildeten sich erdgeschichtlich im Quartär, im Tertiär, im Keuper, im Buntsandstein (v.a. im Oberen Buntsandstein, Röt-Folge), im Zechstein, im Rotliegend und während des Devons und Karbons.
Lösse und Lösslehme des Quartärs sind in Hessen weit verbreitet. Besonders mächtige und großflächige Vorkommen finden sich in der Wetterau, im Vogelsberg und dessen Umrandung, im Westerwald, in der Niederhessischen Senke, am Südrand des Rheinischen Schiefergebirges und im Odenwald (v.a. Bergstraße und Dieburger Bucht). Tone des Quartärs in abbauwürdiger Mächtigkeit sind auf Flusstäler und Senkungsbereiche des Rhein-Main-Gebietes beschränkt. Die in Hessen besonders intensiv genutzten illitisch-kaolinitischen Ton-Lagerstätten des Tertiärs konzentrieren sich auf die Randbereiche von Westerwald und Vogelsberg, auf Beckenbereiche im Taunus und im Raum Gießen und auf die große Senkungsstruktur der Niederhessischen Senke.
Bentonite des Tertiärs sind an die Vorkommen vulkanischer Gesteine, insbesondere vulkanischer Tuffe, gebunden und kommen daher v.a. im Westerwald, im Vogelsberg und im Bereich von Vulkanitvorkommen der Niederhessischen Senke vor. Ton- und Schluffsteine des Perms und der Trias streichen v.a. in Nord- und Osthessen, in der sog. Wetterauer Perm-Scholle, auf dem Sprendlinger Horst und im östlichen Odenwald aus. Tonschiefer und Phyllite des Devons und Karbons sind an das Rheinische Schiefergebirge und kleinere paläozoische Aufbrüche Nordhessens gebunden.
In Hessen wurden Stand 2016 ca. 6,4 Mio. Tonnen hochwertige Tonrohstoffe u.a. für feuerfeste Produkte gefördert. Rund 30 Tonnen dieser Rohstoffe verbraucht jeder Mensch in seinem ganzen Leben.
Die mehr oder weniger komplex aufgebauten Ton-Lagerstätten mit unterschiedlichen Qualitäten wie diejenigen im Westerwald oder beispielsweise am Hirschberg bei Großalmerode werden deshalb in der Regel im sog. „selektiven Abbauverfahren“ abgebaut.
Die große Bedeutung der Tonrohstoffe liegt unter anderem an ihren vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Schwerpunktmäßig werden sie von der fein- und grobkeramischen Industrie verarbeitet. Zu letzterer gehört die große Gruppe der Baukeramik mit Produkten wie z.B. Dachziegeln oder Kanalisationsrohren. Die Produktion von Ziegeln aus eigenen Lagerstätten für den regionalen Bedarf gehört heute nahezu der Vergangenheit an. Ziegeleiprodukte werden von wenigen Konzernen europaweit vertrieben.
Grobkeramik ist häufig vom Material her und farblich inhomogen. Feinkeramik wie beispielsweise Haushaltskeramik, Tischgeschirr und Sanitärkeramik ist dagegen mit einer Korngröße <0,05 mm sehr feinkörnig und von definierter Färbung. Feinkeramik erfordert bezüglich Aufbereitung der Rohmasse, der Formgebung und des Trocknens sowie Brennens eine erheblich größere Sorgfalt als sie bei der Herstellung von Grobkeramik nötig ist.
Um die produktspezifischen Eigenschaften keramischer Produkte zu erreichen und den Brennvorgang zu steuern, werden neben Tonrohstoffen weitere unbildsame (nicht plastische) keramische Rohstoffe wie z.B. Quarz oder Feldspat als Zusätze verwendet.
Weitere Einsatzbereiche für Tonrohstoffe sind der ökologische Lehmbau, verschiedene Bereiche der elektrischen und chemischen Industrie (Isolierungen, Katalysatoren, Filter u.a.), die Umwelttechnik (Deponiebau), der Gartenbau (Bodensubstrat), die Medizintechnik (Zahnimplantate, Knochenersatz), sowie die pharmazeutische und Lebensmittelindustrie (Füllstoff u.a.).