Die Blockhalde am Schafstein in der Rhön - Basalt auf Abwegen
Romantiker nennen die Rhön das "Land der offenen Fernen". Denn - eher untypisch für deutsche Mittelgebirge - ist die Rhön nur zu einem Drittel bewaldet, so dass es von vielen Kuppen einen guten Ausblick über unterschiedliche Landschaftsformen gibt, die sich aus dem differenzierten geologischen Aufbau der Rhön ergeben. Etwa 200 Mio. Jahre alte Fluss- und Meeresablagerungen, durch Verwitterungsvorgänge modelliert, wurden zwischen etwa 25 und 11 Millionen Jahren vor heute durch eine starke, mehrphasige vulkanische Aktivität überprägt, um danach wiederum durch klimatische Einflüsse in ihrer Morphologie umgestaltet zu werden.
Mit ihren flachwelligen Hochflächen, kuppenförmigen Einzelbergen und tief eingeschnittenen Tälern gliedert sich die Mittelgebirgslandschaft der Rhön heute in die drei Landschaftstypen:
- das Rhönvorland, welches aus Sand- und Kalksteinen des Erdmittelalters aufgebaut ist,
- die Kuppenrhön, in der durch Abtragung der umgebenden Gesteine vulkanische Förderschlote als "Kegel" herauspräpariert wurden und
- die Hohe Rhön, die fast ausschließlich aus vulkanischen Gesteinen besteht, die in ihrem östlichen Bereich [z.B. auf der Wasserkuppe], meist noch als flächenhaft zusammenhängende Basaltdecken vorhanden sind.
Bedingt durch die Landschaftsgeschichte, insbesondere aber die starke Verwitterungsresistenz der vulkanischen Gesteine, sind in der Rhön heute zahlreiche sehenswerte Geotope erhalten.
Eines der schönsten Geotope der Rhön ist die Blockhalde an der Nordflanke des 832 m hohen Schafsteins, rd. 2,5 km östlich der Wasserkuppe und nur etwa 6 km NNE von Gersfeld in der Hohen Rhön gelegen. Dieses größte Blockmeer der Rhön bedeckt als weite, stellenweise steil abfallende Basalt-Blockhalde mit unzähligen, wild durcheinander gewürfelten Basaltblöcken fast ganz ohne Bewuchs den Nordhang des Schafsteins.
Über eine Länge von etwa 250 Meter und eine Breite von ungefähr 80 m ist der Blockstrom besonders dicht und steil, wobei einzelne Felsbrocken beachtliche Größen erreichen. Insbesondere in diesem Teil blieb die Blockhalde offen, so dass sich hier keine geschlossene Pflanzendecke entwickeln konnte. Hin und wieder fasst aber ein einzelner Baum zwischen dem Geröll Fuß und Farne und Moose siedeln sich an.
Mehrere hundert Meter schieben sich die basaltischen Blöcke in den Wald oder verharren an bis zu 5 m hohen, selbst aufgestauten Stufen. Mittels refraktionsseismischer Messungen, einer Methode, bei der Schallwellen durch den Untergrund geschickt und deren Geschwindigkeit gemessen wird, konnte festgestellt werden, dass teilweise erst in 30 m Tiefe anstehendes Festgestein vorhanden ist. An vielen Blöcken kann hier die für Basalt typische "säulige Absonderung" (insbesondere 5-eckige Querschnitte) beobachtet werden. Ein kleineres Blockmeer bedeckt die flachere Ostflanke des Schafsteins.
Die Blockströme am Schafstein entstanden während der älteren Epoche des Quartärs, dem Pleistozän ("Eiszeit-Alter"; 2,4 Mio. bis etwa 10 000 Jahre vor heute). Die Rhön selbst war nicht vereist, sie lag im periglazialen Bereich, die Böden waren durchgefroren (Permafrostböden), sie tauten in den kurzen Sommermonaten nur oberflächennah auf.
Das durch Frostsprengung und Verwitterungsvorgänge aufgelockerte und zerfallene Gestein konnte nun in den Auftau-Phasen auf den tonig verwitterten Basalttuffen und tonigen Ablagerungen des Röts (Oberer Buntsandstein) an den Hängen hinab gleiten.
Diese Blockhalden stapelten sich und drückten sich gegenseitig das abschüssige Gelände hinab. Auf ebenen Flächen oder an den Rändern wurden die Blockfelder durch Verwitterungslehm verdeckt und sind jetzt nur noch an einzelnen, aus dem Boden herausragenden Steinen zu erkennen. Die Felsbewegung und somit die Umlagerung der Basaltblöcke ist am Schafstein vor rund 10.000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit zum Erliegen gekommen.
Neuerdings wird die Blockhalde am Schafstein als fossiler, im Pleistozän entstandener Blockgletscher gedeutet, bei dem das Eis in den Gesteinshohlräumen geschmolzen ist bzw. sich jüngere Eisreste noch im tieferen Untergrund halten, was aufgrund kalter Luftaustritte am Unterhang der Blockansammlung des Schafsteins zu vermuten ist. So wurden an heißen Tagen im Sommer an einer Stelle noch Lufttemperaturen von minus 1,5° C gemessen. Der Schafstein liegt in der Kernzone des Biosphärenreservats Rhön und hat einen bemerkenswert urwaldähnlichen Laubbaumbestand.
Geotop-Nummern: 5425-3
Regierungs-Bezirk: Kassel
Landkreis: Fulda
Städte/Gemeinden: Ehrenberg (Rhön)
Topografische Karte: TK25, Blatt 5425 Klein-Sassen
Koordinaten (Gauß-Krüger): Rechtswert: 3569250 / Hochwert: 5596730