Geologische 3D-Modellierung des nördlichen Oberrheingrabens
Mit der zunehmenden Weltbevölkerung in den vergangenen Dekaden ging eine starke Urbanisierung auf globaler Ebene einher. Dabei sind Sedimentbecken bevorzugte Siedlungsräume, da in diesen Akkumulationsgebieten die für die Sicherung der Existenzgrundlage notwendigen Geo-Ressourcen (Wasser, Böden, Massenrohstoffe) verfügbar sind (Littke et al. 2008).
Ein solches Sedimentbecken ist auch der Oberrheingraben, dessen Entwicklung im Eozän einsetzte und bis heute anhält. Der Oberrheingraben erstreckt sich von den Alpen bis an den Südrand des Rheinischen Schiefergebirges bzw. des Vogelsberges, hat eine Breite von 30 – 40 km und besitzt lokal eine Tiefe von bis zu 5.000 m.
Seine geographische Lage erstreckt sich über drei Bundesländer, weshalb die den Oberrheingraben betreffenden Aufgaben auf Ebene der Bundesländer von drei Staatlichen Geologischen Diensten abgedeckt werden (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen). Für den hessischen, nördlichen Teil des Oberrheingrabens, ist das Hessische Landesamt für Naturschutz,Umwelt und Geologie (HLNUG) zuständig.
Dabei stellt das HLNUG im Hinblick auf die Geopotenziale eine Schnittstelle zwischen Nutzungsmöglichkeiten und Nutzungsinteressen dar. Um den vielfältigen Nutzungsinteressen im nördlichen Oberrheingraben (Grundwasser, Massenrohstoffe, flache Geothermie, tiefe Geothermie, Kohlenwasserstoffexploration) auch unter Berücksichtigung sozioökonomischer Rahmen-bedingungen (Naturschutz, Lärmschutz, etc.) möglichst nachhaltig zu begegnen, bedarf es eines fundierten Wissens über den oberflächennahen Untergrund.
Aus diesem Grund beschäftigt sich das Referat G1 Geologische Grundlagen derzeit in Kooperation mit der TU Darmstadt (Fachgebiet Geo-Ressourcen & Geo-Risiken) mit einer geologischen 3D-Modellierung der quartären Ablagerungen im nördlichen Oberrheingraben.
Das Modellgebiet erstreckt sich von Frankfurt am Main im Norden bis nach Mannheim im Süden und wird im Westen bzw. Osten von den Hauptrandverwerfungen des Oberrheingrabens begrenzt (Abb. 1). Die Größe des Modellgebietes beläuft sich auf ca. 1250 km².
Das Projektgebiet ist ein stark urbanisierter Raum und gehört mit ca. 5,2 Millionen Einwohnern zu einer der größten und dynamischsten Metropolregionen Europas. Diese Entwicklung ist auch in den Siedlungsflächen dokumentiert, die sich in den vergangenen 100 Jahren stark vergrößert haben. Während im Jahr 1910 lediglich 115 km² (6,2 %) als Siedlungsfläche angegeben waren, so ist diese Fläche bis 2010 auf ca. 445 km² (24 %) gewachsen (Abb. 2).
Wohlstand und Entwicklung der Region, in der Vergangenheit und in der Zukunft, sind abhängig von der ausreichenden Verfügbarkeit von Geo-Ressourcen. Eine entscheidende Rolle spielt hier die Verfügbarkeit von Grund- bzw. Trinkwasser. Mit seinen quartären Ablagerungen, die im Projektgebiet bis zu 400 m mächtig sein können, besitzt der nördliche Oberrheingraben ein großes Speichervolumen für Grundwasser. Viele Bohrungen belegen, dass sich dieser Grundwasserspeicher in verschiedene Aquifere unterteilen lässt, die durch Grundwassergeringleiter (z.B. Tonhorizonte) voneinander getrennt sind. Eine Vielzahl von Bohrdaten zeigt aber auch, dass diese Trennhorizonte nicht flächendeckend vorhanden sind und somit Verbindungen zwischen einzelnen Aquiferen bestehen. Diese Verbindungen können bei verschiedenartiger Nutzung einzelner Aquifere in einem ungünstigen Fall zu Nutzungsbeeinträchtigungen führen. Um den modernen Anforderungen an den oberflächennahen Untergrund von Seiten des HLNUG adäquat begegnen zu können, soll deshalb der Wissensstand zu den quartären Ablagerungen im nördlichen Oberrheingraben mit Hilfe der geologischen 3D-Modellierung signifikant vertieft werden.
Als Eingangsdaten für die Modellierung dienen gut 10.000 qualitätsgeprüfte Bohrungen. Sowohl im Hinblick auf die Verteilung der Bohrungen (Abb. 3), als auch auf die erreichten Endteufen (Abb. 4), ist der verfügbare Datensatz sehr heterogen. Damit sind abgeleitete und interpolierte Oberflächen unterschiedlich aussagekräftig. Dies wird beim Tagesgeschäft sowie bei der Weitergabe von Informationen berücksichtigt.
Die bisherigen Arbeiten implizieren eine, im Vergleich zu früheren Arbeiten, deutlich abweichende Geometrie der quartären Ablagerungen. Während z.B. Bartz (1974) eine von Ost nach West ansteigende Quartärbasis beschreibt, die im Westbereich des Oberrheingrabens auskeilt, zeigen die aktuellen Arbeiten, dass die Lage der Basis Quartär in diesem westlichen Bereich deutlich tiefer anzusetzen ist. Entgegen früherer Annahmen ist die Basis Quartär weiterhin durch mehrere tektonische Störungen versetzt, wodurch der Akkumulationsraum in unterschiedliche Homogenitätsbereiche untergliedert werden kann. Daraus resultierend muss auch die bisher angenommene Verbreitung der Grundwassergeringleiter, überwiegend Tonhorizonte, kritisch überprüft werden. Die hier formulierten Aussagen werden derzeit wissenschaftlich aufbereitet und in Kürze in Fachmagazinen sowie auf verschiedenen Tagungen vorgestellt.
Bisher veröffentlichte Informationen zum Projekt:
HOSELMANN, C. & LEHNÉ, R. (2014): Die quartärgeologische Entwicklung und ein geologisches 3D-Modell des nördlichen Oberrheingrabens. – Geologisches Jahrbuch Hessen, 138: 57-73.
LEHNÉ, R.J., HOSELMANN, C., HEGGEMANN, H., BUDDE, H. & HOPPE, A. (2013): Geological 3D modelling in the densely populated metropolitan area Frankfurt/Rhine-Main. – Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, 164 (4): 591–603.