Umweltrisiken durch Arzneimittel und Beurteilungskriterien
Die biologischen Wirkungen der klassischen Abwasserinhaltsstoffe, wie z.B. stickstoff- und phosphorhaltige Verbindungen oder Pflanzenschutzmittel und andere Spurenstoffe der Anlage 6 und 8 der Oberflächengewässerverordnung (OGewV, 2016), auf die aquatische Umwelt sind weitgehend bekannt. Jedoch können Arzneistoffe und vor allem hormonell wirksame Substanzen im Lebensraum Wasser Auswirkungen auf aquatische Organismen haben, die bisher noch nicht oder wissenschaftlich nur unzureichend untersucht wurden. Zusätzlich kann durch einzelne dieser Stoffe, soweit sie im Boden aufgrund ihrer chemisch-physikalischen Stoffeigenschaften gut beweglich („grundwassergängig“) sind, die Trinkwassergewinnung gefährdet sein. Die Substanzen spielen daher eine relevante Rolle für den Gewässer- und auch Grundwasserschutz. Allerdings liegen für das Medium „Oberflächenwasser“ bislang kaum rechtlich verbindliche Grenzwerte vor, die eine Beurteilung und ggf. das Ergreifen von Maßnahmen aufgrund rechtlicher Grundlagen im Gewässerschutz möglich machen.
Beurteilung von Arzneimitteln in der Umwelt
Die Bewertung von Umweltrisiken spielt bei der Zulassung von Medikamenten bzw. Humanarzneimitteln (seit 2006) eine Rolle und wird hier mit in die Betrachtung einbezogen.
Bei diesen Verfahren werden PEC („Predicted Environmental Concentration“ – die vorhergesagte Konzentration in der Umwelt) und PNEC („Predicted No Effect Concentration“ – Konzentration bis zu der kein Effekt auf den empfindlichsten Organismus erwartet wird) herangezogen.
Nähere Informationen hierzu finden sich auf der Seite des Umweltbundesamts: Umweltrisikobewertung .
Eine PNEC kann eine erste Beurteilungsbasis für die Konzentration der Substanzen im Gewässer bieten (so lange sie für das Medium Wasser abgeleitet wurde). Auch liegen für bestimmte, auch schon länger zugelassene Arzneimittel, seit einigen Jahren ökotoxikologische Untersuchungsergebnisse vor. Aus diesen wurde z.T. im Auftrag der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) nach den Vorgaben der Wasserrahmenrichtline (WRRL) hergeleitete Vorschläge für zukünftige Umweltqualitätsnormen (UQN) abgeleitet.
Die PNEC und UQN-Vorschläge, sowie weitere Qualitätsstandards können für eine erste Beurteilung der gemessenen Konzentrationen verwendet werden. Vor allem von Interesse sind solche Substanzen, die relativ hohe Verbrauchsmengen aufweisen, und für die aus der Literatur bekannt ist, dass Konzentrationen im Gewässer die abgeleiteten PNEC oder UQN-Vorschläge überschreiten.
Liste der verwendeten PNEC und UQN-Vorschläge, sowie weiterer Beurteilungskriterien
Diese Werte stellen keine Bewertung im Sinne der Oberflächengewässerverordnung (2016) dar, sondern haben nur orientierenden Charakter. So werden hier z.T. große Sicherheitsfaktoren angenommen um u.a. PNEC abzuleiten, da die vorliegenden Untersuchungen nicht ausreichend sind, um die Wirkung der Substanz auf den empfindlichsten Organismus zu erfassen.
Handlungsmöglichkeiten
Da viele Medikamente aus medizinischen Gründen unverzichtbar und umweltverträglichere Alternativstoffe nicht verfügbar sind, lässt sich ein Eintrag dieser Stoffe in die Abwasserkanalisation z. Zt. nicht vermeiden. Dieser Sachstand entlässt die Pharmaindustrie trotzdem nicht aus ihrer Verantwortung, bei der Suche und der Entwicklung neuer Arzneimittelwirkstoffe auch deren Auswirkungen auf die Umwelt zu untersuchen und zu berücksichtigen. Daneben muss eine sachgerechte Altmedikamenten-Entsorgung entweder durch Rückgabe in den Apotheken oder mit dem Hausmüll, ggf. im Rahmen der kommunalen Schadstoffsammlung, sichergestellt werden. Dabei muss die Entsorgungssicherheit gegenüber einem unbefugten Zugriff, beispielsweise durch Kinder, gewährleistet sein.
Gleichwohl werden diese Maßnahmen allein das Problem nicht lösen. In der Praxis müssen daher ergänzende Strategien gesucht und das Ziel verfolgt werden, Arzneimittelwirkstoffe im Zuge der Abwasserreinigung in bestimmten Kläranlagen zu eliminieren.
Vor allem im Hinblick auf der Zunahme an älteren Personen in der Gesellschaft und den damit absehbaren Mehreintrag von Arzneimitteln in die Umwelt und auch möglicherweise der Änderung der Abflussregime von Gewässern und dem damit steigenden Abwasseranteil durch niedrigeren Abfluss stehen wir in näherer Zukunft vor weiteren Herausforderungen.