Warum viele Insekten gefährdet sind
Seit Jahren lässt sich weltweit ein Rückgang und infolgedessen eine Gefährdung unzähliger Tierarten feststellen. Dieses Artensterben ist eine der größten aktuellen Herausforderungen des Naturschutzes. Auch ein Drittel der Insektenarten ist vom Aussterben bedroht. Hinzu kommt, dass ihre globale Masse jährlich um 2,5 Prozent abnimmt. Hauptverursacher ist der Mensch, der die Natur über ihre Leistungsfähigkeit hinaus nutzt und für einen massiven Landnutzungswandel verantwortlich ist. Wir sägen damit an dem Ast, auf dem wir sitzen. Denn wenn die Bestäuber wegfallen und die natürliche Bodenfruchtbarkeit abnimmt, ist unsere Existenz bedroht.
Die Hauptursachen für das Insektensterben sind weitestgehend bekannt: Feldraine und Hecken sind aus vielen Kulturlandschaften verschwunden. Grünland ist zu Acker geworden. Äcker werden größer und größer. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Mineraldünger und zu viel Gülle verringert die Vielfalt und Qualität von Lebensräumen und verdrängt Nahrungspflanzen der Insekten. So sind in Deutschland seit 1950 71 Prozent der Ackerwildkrautarten pro Acker verschwunden. Den Böden fehlt häufig der Nachschub an organischer Substanz, so dass Bodeninsekten die Nahrungsgrundlage entzogen wird. Hinzu kommen überhöhte Nährstoff- und Schadstoffeinträge aus Industrie, Haushalt und Verkehr sowie die Konkurrenz invasiver Arten, Klimawandel und nächtliche Beleuchtungen. All diese Faktoren verstärken sich gegenseitig und führen dazu, dass nicht nur besondere Arten aussterben, sondern dass die Insekten als Ganzes bedroht sind. Der Weltbiodiversitätsrat bewertet ihren Rückgang daher als dramatisch
Die Gefährdung zahlreicher, meist spezialisierter Insektenarten ist schon seit langem bekannt und äußert sich in den immer länger werdenden Roten Listen. Schmetterlinge, Käfer und Wildbienen verschwinden von Feldern und intensiv genutzten Wiesen. Auch in Hessen sieht es nicht gut aus. Von den 424 Wildbienenarten in Hessen sind 43 Prozent ausgestorben oder bestandsgefährdet, von den 74 Goldwespenarten sind es 36 Prozent. In den Wirtschaftswäldern sind es Totholzkäfer, besonders die Urwaldrelikte, die mangels alter Bäume und Totholz bedroht sind.
Angaben zur Häufigkeit von Insekten sind wichtig, wenn es um ihre Ökosystemleistungen geht. So ist die Anzahl erwachsener Insekten für die Bestäubung entscheidend. Insekten- Biomasse ist bei insektenfressenden Tieren gefragt. Im Herbst 2017 berichtete die Krefelder Studie über einen Verlust von rund Dreivierteln der Biomasse fliegender Insekten − vor allem aus Naturschutzgebieten Nordwestdeutschlands. Die Studie gehört zu den wenigen, die bereits über einen langen Zeitraum laufen − über 27 Jahre. Mengenmäßig gibt es demnach 75 − 80 Prozent weniger Insekten als noch vor 20 Jahren. Dies deckt sich auch mit zahlreichen Alltagsbeobachtungen. So ist heute ein Autostopp zum Reinigen der Windschutzscheibe von toten Insekten − wie er vor 40 Jahren regelmäßig erforderlich war − längst unbekannt. Und um welche nächtlichen Lichter flattern heute noch Schwärme von Nachtfalter?
Für die nächsten Jahrzehnte werden erhebliche klimabedingte Veränderungen von Landlebensräumen vorausgesagt. Dies trifft besonders spezialisierten und an kühles Klima angepassten Insektenarten. Stattdessen breiten sich wärmeliebende Arten wie der Eichen–Prozessionsspinner aus.