Lebensraumtypen der Gewässer(ufer)
Der Lebensraumtyp umfasst naturnahe oligo- bis mesotrophe, d. h. nährstoffarme bis mäßig nährstoffhaltige Stillgewässer mit einem im Jahresverlauf stark schwankenden Wasserspiegel, auf deren zeitweise trockenfallenden Gewässerböden sich spezialisierte Pflanzenarten aus den in der Bezeichnung des LRT genannten Pflanzengesellschaften angesiedelt haben. Diese Pflanzenarten sind in der Lage, innerhalb kurzer Zeit nach dem Trockenfallen des Gewässerbodens zu keimen und Samen zu bilden. Sie bauen in der Regel eine große Samenbank auf und können so auch viele ungünstige Jahre ohne Keimungs- und Wuchsmöglichkeit überdauern. Charakteristische Vertreter dieser auch als „Teichbodenflora“ bezeichneten Pflanzengruppe sind Nadelsimse (Eleocharis acicularis), Eiförmige Sumpfsimse (Eleocharis ovata), Schlammling (Limosella aquatica), Zypergras-Segge (Carex bohemica) und Tännel-Arten (Elatine div. spec.); häufigere, aber weniger auf Gewässerböden spezialisierte Arten sind z. B. Kröten-Binse (Juncus bufonius) und Sumpf-Ruhrkraut (Gnaphalium uliginosum). Nicht alle Gewässer mit solchen Pflanzenbeständen gehören zu diesem Lebensraumtyp, da viele von ihnen, z. B. Baggerseen in Auen mit lehmigem Untergrund, durch hohe Nährstoffgehalte gekennzeichnet sind.
In Hessen kommt der Lebensraumtyp zerstreut in verschiedenen Landesteilen vor, wobei es sich in den meisten Fällen um Kleingewässer handelt. Im Vogelsberg sind einige alte Teiche seit langem für ihre Teichbodenflora bekannt, in der Wetterau ist ein durch Braunkohlenabbau entstandenes Gewässer dem LRT zuzuordnen.
Der Lebensraumtyp umfasst oligo- bis mesotrophe, basenreiche Stillgewässer mit submersen, d. h. unter der Wasseroberfläche wachsenden Beständen von Armleuchteralgen (Characeen). Die Hauptvorkommen in Deutschland sind natürliche Klarwasserseen in den pleistozänen Seengebieten Nordostdeutschlands sowie im Voralpenraum. Zum LRT 3140 gehören jedoch auch anthropogen entstandene Gewässer, z. B. Abgrabungsgewässer der Flussauen, wenn sie eine entsprechende Vegetation und Wasserqualität aufweisen.
Der Lebensraumtyp ist in Hessen weitgehend auf Sekundärstandorte beschränkt. Dabei lassen sich im wesentlichen zwei Gewässertypen unterscheiden: zum einen größere Abgrabungsgewässer der Flussauen, deren Verbreitungsschwerpunkt in der Oberrheinebene liegt, zum anderen Kleingewässer (Tümpel und Teiche) unterschiedlicher Entstehung und Ausprägung, z. B. Gewässer in Sand- und Kiesgruben, Steinbrüchen, angelegte Amphibiengewässer usw. Derartige Gewässer können in allen Naturräumen Hessens vorkommen, sind aber bislang erst aus wenigen Gebieten nachgewiesen.
In der Regel stellen die anthropogenen Gewässer nur für einen begrenzten Zeitraum nach ihrer Entstehung geeignete Characeenlebensräume dar. Da Characeen typische Pionierbesiedler sind, werden sie im Laufe der natürlichen, mit einer Nährstoffanreicherung verbundenen Entwicklung des Gewässers von anderen Wasserpflanzen verdrängt.
Der Lebensraumtyp umfasst nährstoffreiche, natürliche oder anthropogene Stillgewässer mit Schwimmblatt- und Wasserpflanzenvegetation. Die Hauptvorkommen in Deutschland liegen in den eiszeitlich geprägten Landschaften im nordostdeutschen Tiefland und im Alpenvorland, wo es in großer Zahl natürlich entstandene Seen gibt.
Der LRT 3150 ist der bei weitem häufigste FFH-Lebensraumtyp der Stillgewässer in Hessen. Bei der überwiegenden Mehrzahl handelt es sich um anthropogene Gewässer, während primäre Stillgewässer ausgesprochen selten sind. Im Hinblick auf die Entstehung lassen sich folgende Stillgewässertypen unterscheiden:
- Altarme und Altwässer in den Auen der größeren Flüsse
- Durch Sand- und Kiesabbau entstandene Abgrabungsgewässer (Baggerseen)
- Durch Abbau von Festgestein, Braunkohle, Erzen o. ä. entstandene Gewässer
- Teiche als künstlich angelegte, meist durch einen Bach gespeiste und in der Regel ablassbare Gewässer, hauptsächlich in den Bachtälern der Mittelgebirge.
- Tümpel als künstlich angelegte, in der Regel nicht ablassbare Kleingewässer, die durch Grund- oder Regenwasser bzw. oberflächlichen Zulauf gespeist werden
- Erdfallseen, die auf natürliche Weise durch Subrosion, also die Auslaugung von Salzen oder Gips im tieferen Untergrund mit nachfolgendem Einsturz der darüberliegenden Gesteinsschichten, entstanden sind (seltene Erscheinung in Nord- und Osthessen).
Karte - 3150 Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamions oder Hydrocharitions
Als dystroph werden Gewässer bezeichnet, die durch einen hohen Gehalt an gelösten Huminstoffen braun gefärbt sind. Dabei handelt es sich um Gewässer mit niedrigem pH-Wert und torfigem Substrat, die typischerweise in Moor- und Heidegebieten vorkommen und daher auch als Moorgewässer bezeichnet werden können. Die Hauptvorkommen in Deutschland liegen im nordostdeutschen Tiefland und im Alpenvorland.
In Hessen sind dystrophe Stillgewässer bislang in mehreren Talmooren des Burgwaldes, im Roten Moor in der Rhön, im Moor bei Wehrda im Fulda-Haune-Tafelland sowie von wenigen weiteren Stellen bekannt. Ob in den Übergangsmooren des Odenwaldes und des Spessarts dystrophe Gewässer vorkommen, bedarf noch der Überprüfung. In der Regel stehen die dystrophen Gewässer in enger räumlicher Verbindung zur eigentlichen Moorvegetation (LRT 7140 bzw. 7120), zu der oft fließende Übergänge ausgebildet sind. Die Moorgewässer sind z. T. nahezu vegetationsfrei, z. T. werden sie von flutenden Torfmoos-(Sphagnum-)Rasen sowie dem Wassermoos Drepanocladus fluitans, von Decken der Zwiebel-Binse (Juncus bulbosus), Sauergräsern wie Carex rostrata und Eriophorum angustifolium sowie Wasserstern (Callitriche spec.) oder Wasserschlauch (Utricularia australis) besiedelt.
Zum Lebensraumtyp Gipskarstseen gehören permanent wasserführende Karstseen und Karst-Tümpelquellen in Gipskarstgebieten mit Wasserspiegelschwankungen und hohen Konzentrationen von gelöstem Gips (Calcium- und Sulfat-Ionen). Um festzustellen, ob es sich um den LRT handelt, sind chemische Wasseranalysen erforderlich. Eine thermische und/oder chemische Schichtung des Wassers kann vorhanden sein, manchmal entwickeln sich Matten von grünen und purpurfarbenen Schwefelbakterien.
Gipskarstseen kommen natürlicherweise in Erdfällen oder Dolinen vor. Auch naturnah entwickelte Gipskarst-Stillgewässer, die auf Bergbau zurückgehen, sind im LRT eingeschlossen. Es können verschiedene Wasserpflanzen wie zum Beispiel Laichkräuter (Potamogeton spec.), Wasserlinsen (Lemna spec.) oder Armleuchteralgen vorkommen oder auch mit Röhrichten bewachsene Verlandungsbereiche, sie sind aber nicht Bedingung für diesen LRT.
In Hessen sind bisher zwei Gipskarstseen bekannt: Der „See bei Cornberg“ in einem stillgelegten Sandsteinbruch und der „Grüne See“ bei Witzenhausen-Hundelshausen, ein nach Gipsabbau entstandenes Gewässer, das als Badesee genutzt wird.
Der Lebensraumtyp umfasst natürliche oder naturnahe Fließgewässer mit Vegetation aus flutenden Wasserpflanzen oder aus typischen Wassermoosen; die Definition ist insofern weiter gefasst als die offizielle Bezeichnung und schließt auch kleine Fließgewässer (Bäche) der Mittelgebirge ein. Fließgewässer des LRT 3260 sind in ganz Deutschland verbreitet.
Auch in Hessen kommen Fließgewässer mit flutender Wasservegetation fast im ganzen Land vor; einige Lücken gibt es im Rhein-Main-Tiefland, in dem naturnahe Gewässer im Vergleich zu den Mittelgebirgen deutlich seltener sind. In den kleinen Mittelgebirgsbächen besteht die kennzeichnende Vegetation oft ausschließlich aus Moosen, während flutende Arten der höheren Pflanzen wie Wasserhahnenfuß (Ranunculus, Untergattung Batrachium), Laichkräuter (Potamogeton spec.) und Wasserstern (Callitriche spec.) ihren Schwerpunkt in Tieflandsbächen und Flüssen haben.
Zeitweilig trockenfallende Schlammbänke sind ein typisches Habitat von naturnahen Flüssen, das durch die Um- und Ablagerung von Sedimenten im Flussbett immer wieder neu entstehen kann. In den überwiegend regulierten Flüssen Mitteleuropas ist die natürliche Dynamik allerdings stark eingeschränkt, und Schlammbänke entstehen zu einem großen Teil im Schutz von Leitwerken, in Altarmen und Buchten infolge der hier herabgesetzten Strömungsgeschwindigkeit.
Verbreitungsschwerpunkte des LRT 3270 in Deutschland sind Rhein, Elbe und Oder. In Hessen liegt der größte Teil der Vorkommen am Rhein und seinen Altarmen. Die meist im Hoch- oder Spätsommer trockenfallenden Schlammbänke werden von spezialisierten Pflanzenarten besiedelt, z. B. von Zweizahn-Arten (Bidens div. spec.), Rotem Gänsefuß (Chenopodium rubrum), Braunem Zypergras (Cyperus fuscus), Schlammling (Limosella aquatica), Wasserkresse (Rorippa amphibia) und Strand-Ampfer (Rumex maritimus).
Der Lebensraumtyp umfasst Hochstaudensäume an Bächen und Flüssen sowie an feuchten Waldrändern. Die Vegetation kann je nach Standort sehr unterschiedlich sein: An kleineren Bächen entwickeln sich häufig buntblühende Säume mit Mädesüß (Filipendula ulmaria), Wolfstrapp (Lycopus europaeus), Blutweiderich (Lythrum salicaria) und Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) als typischen und häufigen Arten, an größeren Fließgewässern hochwüchsige Staudensäume mit Knollen-Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum), Zaunwinde (Calystegia sepium), Filziger Klette (Arctium tomentosum) und nährstoffliebenden Arten der ruderalen Staudenfluren wie Brennessel (Urtica dioica) und Kletten-Labkraut (Galium aparine). Für halbschattige, feuchte Waldränder sind die typischen Arten z. B. Wasserdost (Eupatorium cannabinum), Arznei-Baldrian (Valeriana officinalis agg.), Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris) und Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata). In montanen Lagen kommen auch seltenere Pflanzenarten in den feuchten Hochstaudensäumen vor, z. B. Eisenhut-Arten (Aconitum div. spec.), Platanenblättriger Hahnenfuß (Ranunculus platanifolius) und Weiße Pestwurz (Petasites albus).
Feuchte Hochstaudensäume sind in allen Naturräumen Hessens verbreitet.
Karte - 6430 Feuchte Hochstaudenfluren der planaren und montanen bis alpinen Stufe
Zu dem Lebensraumtyp zählen Quellen und Quellbäche mit kalkhaltigem, sauerstoffreichem Wasser, bei denen eine Kalktuff-Bildung, d. h. Ausfällung von porösem Kalk in der unmittelbaren Umgebung des Quellwasseraustritts bzw. im angrenzenden Bachlauf erkennbar ist. Typischerweise weisen solche Quellen und Quellbäche eine Vegetation aus dichten Moospolstern auf, bei denen die Moospflanzen mit Kalk verkrustet sind. Charakteristisch sind insbesondere Starknervmoose (Cratoneuron commutatum, Cratoneuron filicinum), nach denen die auch in der offiziellen Bezeichnung des LRT wiedergegebene Pflanzengesellschaft - Cratoneurion - benannt ist. In stark beschatteten Kalktuffquellen kann eine derartige Vegetation aber auch weitgehend fehlen.
In Hessen sind Kalktuffquellen seltene Lebensräume und im wesentlichen auf die Kalkgebiete Nord- und Osthessens beschränkt (Ringgau, Werragebiet, Meißnervorland, Rhön, Diemeltal, Ederseeregion, Schlüchterner Becken). Einzelne Vorkommen sind aus dem Vogelsberg und dem Lahntal bekannt.