Forschungsprojekt
Waschbär
Projekttitel
Bedeutung der Prädation durch Waschbären auf vom Aussterben bedrohte und stark gefährdete Arten in Hessen am Beispiel der Wetterau und Monitoring rehabilitierter Jungwaschbären nach deren Freilassung
Antragsteller
Prof. Dr. Michael Lierz, Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische der Justus-Liebig-Universität Gießen, Arbeitsgruppe Wildtierforschung
Projektbeschreibung
Der Waschbär (Procyon lotor) stammt aus Nordamerika, aber seit Anfang des 20. Jahrhunderts kommt die gebietsfremde Art auch in Hessen vor. Inzwischen wird er als invasive Art in der „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“ (Unionsliste) geführt.
Ein wild lebender Waschbär ist Generalist, der Anteil an tierischer Nahrung überwiegt dabei über das gesamte Jahr deutlich. Insbesondere im Frühling und Sommer haben kleine Wirbeltiere (zur Fortpflanzungs- und Aufzuchtzeit des Waschbären) als Nahrung eine hohe Bedeutung. Waschbären nutzen in der Regel jene Nahrungsressourcen, die am einfachsten erreichbar sind (z. B. Michler 2020). Untersuchungen zum Fressverhalten zeigen jedoch, dass Waschbären teilweise sehr zielgerichtet Nahrungsobjekte auswählen (z. B. Taulman & Williamson 1994, Hohmann & Bartussek 2011).
Grundsätzlich haben insbesondere auf ein bestimmtes Beutespektrum stark spezialisierte Arten eine bestandsregulierende Wirkung auf ihre Beute (vgl. Michler 2020). Unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch auch Generalisten wie der Waschbär einen gewissen Prädationsdruck auf die Beutetierpopulation ausüben. Für eine einheimische Art kann ein relevanter Prädationsdruck durch eine generalistische Art vor allem dann entstehen, wenn diese generalistische Art in hohen Dichten auftritt oder die Beutetiere in Raum und Zeit konzentriert vorkommen. Ob eine Gefährdung einer einheimischen Art durch das Vorkommen einer gebietsfremden Art gegeben ist, hängt dabei von mehreren Faktoren ab – wie z. B. von der aktuellen Bestandssituation der einheimischen Art. Ist eine Population einer einheimischen Art stark gefährdet oder bedroht, können bereits Gelegenheitsbeuten schwerwiegende Konsequenzen für die Population und je nach Seltenheit auch für die Art haben.
Die Ressourcennutzung des Waschbären orientiert sich am Angebot, daher ist es denkbar, dass der Waschbär in für bedrohte Arten ausgewiesenen Schutzgebieten lokal als Mortalitätsfaktor bedeutend sein kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten aus diesem Grund unter der Leitung von Prof. Dr. Lierz der Justus-Liebig-Universität Gießen, ob die Prädation durch Waschbären ein Problem für das Überleben von bedrohten und stark gefährdeten Arten ist. Die Untersuchungsgebiete sind die Naturschutzgebiete „Bingenheimer Ried“ und „Mittlere Horloffaue“ in der Wetterau, in denen viele in Hessen vom Aussterben bedrohte und stark gefährdete Amphibien- und Vogelarten zu finden sind.
Quellen
Hohmann, U. & Bartussek, I. (2011): Der Waschbär. – 3. aktual. Aufl., 200 S.; Reutlingen (Oertel und Spörer).
Michler, B.A. (2020): Koproskopische Untersuchungen zum Nahrungsspektrum des Waschbären Procyon lotor (Linné, 1758) im Müritz-Nationalpark (Mecklenburg-Vorpommern) unter spezieller Berücksichtigung des Artenschutzes und des Endoparasitenbefalls. – Wildtierforschung in Mecklenburg-Vorpommern, Bd. 5, 168 S.
Taulman, J.F. & Williamson, J.H. (1994): Food preferences of captive wild Raccoons, Procyon lotor, from east Texas. Canadian Field-Naturalist, 108(2), 170–175.
Projektdauer
2019-2024