11. Hessischer Klimaempfang
4. Mai 2022, Schloss Biebrich, Wiesbaden
Zu Gast: Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change
Der 11. Hessische Klimaempfang konnte nach zwei Jahren endlich wieder in gewohnter Weise stattfinden! Auf Einladung des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) und des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) fanden sich über 300 Gäste aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Forschung im Schloss Biebrich in Wiesbaden ein. Die Umsetzung als 3G-Veranstaltung mit Maskenpflicht ermöglichte trotz der noch nicht überwundenen Corona-Pandemie einen sicheren und doch dem Anlass angemessenen feierlichen Abend. Fernsehmoderator Thomas Ranft führte auch in diesem Jahr durch das Programm.
Von Ferne überschattet wurde der Abend durch den furchtbaren Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der uns allen die große Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und deren Lieferung sehr bewusst macht, der die Aktualität der Klimakrise damit aber nur unterstreicht.
Die hessische Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Priska Hinz, eröffnete den Abend mit der Erinnerung an die verheerenden Überflutungen des letzten Jahres in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, andererseits an die anhaltende Gefährdung der Wälder in Hessen und Deutschland durch die Dürreperioden der vergangenen Jahre. Sie griff die eindringliche Mahnung des Weltklimarats IPCC auf, dass sich das Zeitfenster für die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C zügig schließt. Um dem Klimawandel mit geeigneten Mitteln und Entschlossenheit entgegenzutreten, ist in Hessen das erste Klimagesetz in Abstimmung, das die Klimaneutralität des Landes ab 2045 zum Ziel hat. Mit dem neuen Klimaplan sollen ab 2023 Maßnahmen umgesetzt werden, die ressortübergreifend und unter Beteiligung der Öffentlichkeit abgestimmt werden und die Klimaschutz- und Anpassungsanstrengungen des vorangegangen Klimaschutzplans IKSP aufgreifen und fortführen. Die Ministerin endete mit dem Appell an die Gäste, ihr Engagement für Klimaschutz und Anpassung aufrecht zu erhalten, und sicherte die bestmögliche Unterstützung des HMUKLV zu.
Prof. Dr. Thomas Schmid, Präsident des HLNUG, stellte seine Eröffnungsworte ebenso unter den Eindruck der Klimawandelfolgen der letzten Jahre, die auch in Hessen deutlich spürbar sind. Der 11. Klimaempfang fiel durch Zufall auf das diesjährige Datum des Erdüberlastungstags – hieran erinnerte der Präsident mit dem Hinweis auf die Endlichkeit der Ressourcen und auf die Notwendigkeit, in vielen Lebensbereichen umzudenken. Er ermutigte die Anwesenden nachdrücklich, auf Basis all des Wissens, das über den Klimawandel und seine Folgen vorliegt, jetzt ins Handeln zu kommen, ihren Einfluss zu nutzen, um beispielsweise klimaangepasste Quartiere zu planen, Alte und Kranke zu schützen und zukunftsfähige Wälder zu pflanzen, und so nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Zukunft zu erhalten und zu schaffen.
Einen Bogen zwischen dem Green Deal der EU, dem Krieg in der Ukraine und der Zukunft des Klimas spann Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), in seinem Vortrag. Er begann mit einem eindrücklichen Blick auf den globalen Temperaturanstieg, auf darauf zurückzuführende weltweite Extremereignisse des letzten Jahres und ihre wirtschaftlichen Folgen. Edenhofer betonte mehrfach, dass die Weltgemeinschaft sich derzeit auf einem „4-Grad-Pfad“ der Erwärmung befindet – die Auswirkungen einer solchen Erwärmung besonders auf den globalen Süden seien nicht zu akzeptablen moralischen Kosten handhabbar. Selbst wenn es gelänge, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf 1,5 bis 2 °C zu begrenzen, wie es das Pariser Klimaabkommen vorsieht, sei nicht auszuschließen, dass einige der weltweiten Kippelemente überschritten werden, zitierte er aus dem sechsten Sachstandsbericht des IPCC. Schon mit einem so begrenzten Anstieg der Temperatur wird sich der Zustand unseres Planeten an einigen Punkten fundamental verändern.
Die zentrale Stellgröße, um nicht "in die Zone des gefährlichen Klimawandels zu kommen", sieht Edenhofer im verbleibenden CO2-Budget und dem Umgang damit auf weltweiter, europäischer und nationaler Ebene. Mit dem Bild einer Badewanne, deren Zulauf gestoppt werden muss, um ein Überlaufen zu verhindern, verglich er die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für eine nur begrenzte Menge an CO2. Die fossilen Energiereserven in den Böden übersteigen das Fassungsvermögen der Atmosphäre um ein Vielfaches – daher ist es für die Beherrschbarkeit des Klimawandels zwingend notwendig, dass ein Großteil dieser Reserven im Boden verbleibt. Es sei die zivilisatorische Herausforderung unserer Generation, durch freiwillige weltweite Vereinbarungen den "Deponieraum Atmosphäre" zu begrenzen und nach den Kriterien von Fairness und Effizienz zu bewirtschaften. "Wenn es uns nicht gelingt, in der nächsten halben Dekade einen globalen Kohleausstieg zu bewerkstelligen, werden wir die Tür zum 1,5-Grad-Ziel unwiderruflich zuschlagen", so Edenhofer. Mit Blick auf die menschgemachten Treibhausgas-Emissionen, die in den letzten 20 Jahren laut IPCC stärker denn je angestiegen sind, mahnte er "Wir fahren immer noch auf die Wand zu!"
Die weltweite CO2-Bepreisung nannte Prof. Edenhofer eine wichtige Initiative der internationalen Klimapolitik. Derzeit sind allerdings weltweit nur etwa die Hälfte der Emissionen überhaupt bepreist, lediglich 4 % zu einem Preis, der die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens möglich macht. Der Green Deal der EU sieht einen zweiten Emissionshandel für die Sektoren Verkehr und Gebäude vor. Dies wäre ein großer Beitrag zur Energiesicherheit Europas und von hohem klimapolitischen Nutzen. Zudem würde so ein langfristiges ‚Nachfragekartell‘ etabliert, das die Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas reduzieren und auch die Kreditwürdigkeit Russlands mindern würde. Zusammen mit einer Importsteuer auf russisches Öl und Gas sieht Edenhofer in der Umsetzung des Green Deal daher eine Möglichkeit, die Dauer des Krieges in der Ukraine zu verkürzen. Die Importabgaben könnten letztlich nach Kriegsende für den Wiederaufbau und die Stärkung demokratischer Kräfte in der Ukraine genutzt werden.
Abschließend skizzierte Edenhofer Transformationsmeilensteine für eine gelingende Energiewende: Hierzu zählen eine Verdreifachung der Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik, ein Ausstieg aus der Kohleverstromung, eine massive Beschleunigung der Energiewende in den Sektoren Verkehr, Industrie und Gebäude, dies alles begleitet durch den Ausbau von Strom- und Wasserstoffnetzen, der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität und von CO2-Speichermöglichkeiten.
Er schloss mit den Worten "Unsere Generation hat nicht den Luxus, erst die eine Krise zu lösen und dann die andere. Wir müssen die Krise der europäischen Friedensordnung und die Klimakrise zugleich lösen. Das erfordert Intelligenz und Mut – und ich traue uns diesen Mut und diese Intelligenz zu!"
Hier geht es zum Videomitschnitt des Vortrags von Prof. Edenhofer.