10. Hessischer Klimaempfang
26. Oktober 2021, Schloss Biebrich
Prof. Dr. Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts
Ein bisschen später im Jahr und ein wenig anders als sonst richteten das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) und das Hessische Umweltministerium den 10. Hessischen Klimaempfang im Schloss Biebrich in Wiesbaden unter Corona-Bedingungen aus. 140 Personen aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Forschung waren vor Ort, um sich mit dem Thema Klimawandel auseinanderzusetzen. Virtuell hinzugeschaltet waren über 200 weitere Personen, die unseren Rednerinnen und Rednern lauschten. Auch dieses Jahr ließ es sich Fernsehmoderator Thomas Ranft nicht nehmen, durch den Abend zu führen.
Prof. Dr. Thomas Schmid (Präsident des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie) erläuterte zu Beginn, dass der Klimaempfang in 2010 mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, um hessische Akteure im Bereich Klimawandel zu vernetzen, ins Gespräch zu bringen und gleichzeitig die Arbeit der vielen Ehrenamtlichen in Hessen anzuerkennen. Er unterstrich, dass der Klimaempfang aufgrund von Corona zwar ein Jahr aussetzen musste, die Veranstaltung jedoch eine Konstante in Hessen ist, die allen Herausforderungen zum Trotz weiter fortgeführt würde.
Die Pandemie zum Anlass nehmend verdeutliche Staatssekretär Oliver Conz (Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz), dass Verhaltensänderungen in kurzer Zeit möglich sind. Vor anderthalb Jahren war zur Begrüßung der Handschlag normal, nun sind die Faust, der Ellenbogen oder auch mal ein Winken das neue Normal. So wie die Pandemie erst weit weg schien und in kürzester Zeit näher rückte, so hinterlässt auch der Klimawandel seine Spuren. Conz betonte, dass Hessen auf einem guten Weg sei, aber Menschen wie Prof. Boetius gebraucht würden, die neugierig sind, die positiv bleiben. Wer möchte sich nicht gerne eine Welt vorstellen, die abgasfrei und still ist, mit sauberer Luft und grünen Städten? Die Freude auf schönes Leben nach der Pandemie und damit auch „nach dem Klimawandel“ mobilisiere neue Kräfte.
Die Mobilisierung neuer Kräfte und Motivation aller Akteure nannte auch Prof. Dr. Antje Boetius (Direktorin des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven) als essentiell, um den Klimawandel anzugehen. Deshalb sind auf der letzten großen Expedition in die Arktis Fotografierende und Filmteams mitgereist, um die Erlebnisse und Erkenntnisse der Forschenden aus dieser faszinierenden anderen Welt direkt teilen zu können. Unter dem Titel „Klimaschutz tut Not“ brachte Prof. Boetius uns Zuhörerinnen und Zuhörern den Ozean und die Welt rund um die Pole näher. Sie erläuterte das unglaublich komplexe System der Nahrungsnetze in der Arktis – ein System, das durch uns Menschen erheblich verändert wird. In 2012 hatte das Meereis eine Dicke von einem Meter, normal wären eher vier Meter. Das hat nicht nur Konsequenzen für den Meeresspiegel, sondern auch für das Ökosystem Arktis. Das Eis schmilzt so schnell wie noch nie. Bei gleichbleibendem CO2-Ausstoß könnte es ab 2050 komplett eisfreie Zeiten an der Arktis geben.
Die Klimawissenschaft, stellte Boetius fest, funktioniere nicht als Einzelbeobachtung oder -wissenschaft, sondern vereine viele Disziplinen, viele Forscherinnen und Forscher und betrachte somit komplexe Systeme aus unterschiedlicher Perspektive. Zusätzliche Erkenntnisse werden aus der Klimageschichte gezogen, die bald bis 1,6 Millionen Jahre zurück analysiert werden kann. Dadurch wird sichtbar, was die Erde allein an Schwankungen erzeugt und was wir Menschen an Änderungen herbeiführen. Was bei den Berechnungen der CO2-Konzentration oft vergessen würde, sei, dass zusätzlich zum anthropogen verursachten Klimawandel die natürlichen Schwankungen der Erde bzw. des Sonnensystems hinzukommen könnten, gab Prof. Boetius zu bedenken. Damit könnten die Klimawandel-Folgen in Zukunft noch gravierender ausfallen als angenommen.
Wenn man aber an einer Schraube drehen könne, dann ist es die Reduktion des Verbrauchs und der Verbrennung fossiler Treibstoffe. Hier läge das größte Potenzial, betonte Boetius. Das CO2-Budget reiche nur noch die nächsten 20 Jahre und damit würde das 1,5 Grad Ziel nicht bis 2030 zu erreichen sein. Das bedeute erstens, dass CO2 in großen Mengen aus der Atmosphäre aktiv entfernt werden müsse. Zweitens würde auch die Anpassung an die Folgen des Klimawandels immer wichtiger, da bereits Veränderungen eingetreten seien, die sich in den nächsten Jahrzehnten verstärken würden. Es dauere lange, bis unsere Verhaltens-, System- und Infrastrukturänderungen griffen, aber es funktioniere, endete Boetius. Daher bleibe nur, optimistisch zu bleiben und den Klimaschutz anzupacken.
Hier geht es zum Video des Vortrags von Prof. Boetius