Mittelgebirgskonferenz: Zusammenfassung
Der sich derzeit vollziehende Klimawandel ist überall zu spüren, stellt aber die einzelnen Regionen vor zum Teil verschiedene Herausforderungen. Die vier Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen haben deshalb am 6. März 2024 eine gemeinsame Online-Konferenz zum Thema „Anpassung an den Klimawandel in Mittelgebirgen“ veranstaltet. Die Tagung war mit fast 1000 Anmeldungen ein voller Erfolg. Teilnehmende aus den vier ausrichtenden Bundesländern Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen sowie aus weiteren Bundesländern informierten sich über Lösungsbeispiele und diskutierten über Wege zu mehr Klimaresilienz.
Nach der Begrüßung durch die vier Bundesländer, gehalten vom Präsidenten der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, wurden Grundlagen der kommunalen Anpassung an den Klimawandel präsentiert. Insbesondere wurde auf existierende Betroffenheits- und Gefährdungsanalysen hingewiesen sowie auf daraus entwickelte kommunale Anpassungskonzepte, wie sie nach dem Klimaanpassungsgesetz künftig für Kommunen verpflichtend werden.
In einem Plenumsvortrag wurden konkrete Anpassungsmaßnahmen und Unterstützungsleistungen für Kommunen in den vier Bundesländern vorgestellt. Hierin wurde besonders auf die langen Planungszeiträume hingewiesen und auf die erforderliche Verknüpfung von Maßnahmen auf verschiedenen Planungsebenen: Vom Einzelgebäude über die Quartiersplanung, die kommunale Bauleitplanung und die Flächennutzungsplanung. Wichtig ist, nicht nur im Neubaubereich Klimaanpassung umzusetzen, sondern diese auch im Bestand zu fördern. Hilfestellungen dazu finden sich auf den Internetseiten, die am Ende des Tages als „Werkzeugkoffer“ präsentiert wurden.
In drei parallelen Themenworkshops zu „Landwirtschaft“, „Forstwirtschaft“ und „Wasser und Stadtplanung“ wurden in kurzen Impulsvorträgen Best Practice Beispiele vorgestellt und jeweils anschließend Fragen dazu beantwortet und diskutiert.
Die Konferenz zeigte, dass es insgesamt ein großes Interesse an Klimaanpassung in Mittelgebirgsregionen gibt. Die vielen Nachfragen und die angeregten Diskussionen deuten darauf hin, dass die vorgestellten Beispiele gerne aufgegriffen werden und die Teilnehmenden Anregungen und Ideen mitnehmen. So hat die Konferenz dazu beitragen können, voneinander zu lernen und gute Ideen zu verbreiten. Damit sind wir der Klimaanpassung wieder ein Stückchen nähergekommen.
Die Landwirtschaft ist einerseits vom Klimawandel besonders betroffen und bietet andererseits auch einige Möglichkeiten, dessen Folgen abzumildern. Schonende Bodenbearbeitung von Ackerland, Zwischenfruchtanbau und Erosionsschutzstreifen verbessern das Bodengefüge und den Wasserrückhalt. Wichtig ist dabei, die Maßnahmen gemeinsam mit den Landwirten und Landwirtinnen zu entwickeln und eng zwischen ihnen und den Kommunen abzustimmen. Auch Agroforstsysteme, Dauerkulturen aus Energieholz oder Leguminosen in Bodensenken verbessern die Wasserhaltekapazität und den Erosionsschutz. Bei Dauergrünland zeigt sich verbesserte Trockenheitsresistenz bei ökologischer Bewirtschaftung durch Mischungen von Gras, Leguminosen und Kräutern, sowie durch Agroforst oder Sträucher. Sonderkulturen wie z.B. Streuobstwiesen oder Weinberge stellen charakteristische Mittelgebirgslandschaften dar. Die Erwärmung führt im Obst und Weinbau zu früheren Blütezeitpunkten, wobei sich das Spätfrostrisiko sogar verstärkt (Blühzeitpunkte verschieben sich stärker als Spätfröste). Im Weinbau verlangt die Verfrühung der Erntezeitpunkte die Anpassungen der Bewirtschaftung und der Sortenauswahl. Begrünung der Arbeitsgassen wirkt kühlend, schattenspendend, biodiversitätsfördernd und erosionsmindernd, kann andererseits aber auch zur Wasser- und Nährstoffkonkurrenz beitragen. Streuobstwiesen müssen einerseits durch Eingriffe gepflegt werden, um diese Kulturlandschaften zu erhalten, andererseits ist ein gewisses Maß an „Unordnung“ positiv für Biodiversität, Trockenheitsresistenz oder Erholungsqualität. Als gemeinsame Faktoren zur Verbesserung der Klimaresilienz in der Landwirtschaft können daher Bodenschutz, Wasserrückhalt, Strukturreichtum und Biodiversität genannt werden.
Probleme mit zu viel oder zu wenig Wasser (Starkregen und Dürre) setzen auch den Wäldern zu. Gerade Fichtenbestände haben in den zurückliegenden extremen Trockenjahren sehr gelitten. Vielerorts sind riesige Kalamitätsflächen entstanden, deren Wiederbewaldung enorme Herausforderungen darstellt. Dabei kann das forstliche Management die Bedingungen verbessern. Besonders stehendes Totholz im Wald kann sich positiv auf die Beschattung und Kühlung der Wiederbewaldungsflächen auswirken. Kalamitätsflächen können im Fall von Starkregen nicht mehr so viel Wasser zurückhalten wie ein intakter Waldboden. Und auch in intakten Wäldern fließt bei Starkregen teilweise viel Wasser über Wege, Rückegassen, Drainagegräben oder Mountainbike-Strecken ab. Zudem sollte Wasser möglichst nicht auf Wegen konzentriert, sondern flächig in den Wald geleitet werden. Auch Rigolen können die Infiltration erhöhen. An verschiedenen Beispielen wurde gezeigt, dass ein natürlicher oder naturnaher Wald besonders resilient ist. Alternativ kann ein Waldumbau zu arten- und strukturreichen sowie altersheterogenen Mischwäldern gute Voraussetzungen für die Klimaanpassung schaffen. Hier ist auch Naturverjüngung möglich und auch die von der Holzindustrie stark nachgefragte Fichte kann zumindest in den höheren Mittelgebirgslagen integriert sein, allerdings sind möglicherweise auch neue Baumarten erforderlich. Einigkeit bestand ebenfalls darin, dass kleine, dezentrale und naturbasierte Regenrückhaltemaßnahmen wie Mulden und Kleinretentionsräume insgesamt den Wald stabilisieren und resilienter gegen Störungen wie Starkregen, Trockenheit oder Stürme machen. Und zusätzlich fördert diese Art des Waldumbaus die Biodiversität und den Naturschutz. Die vorgestellten Beispiele stammten aus den Forstämtern Wolfhagen (HE), Gotha (TH) und Soonwald (RP). Ein weiteres Thema war die Waldbrandprävention. Derzeit steigt zwar die klimatische Waldbrandgefahr durch zunehmende Trockenheit und Hitze, die Waldbrandstatistik ist aber rückläufig. Dies ist auf gute Prävention und Überwachung zurückzuführen. Gerade in der Fernüberwachung liegen noch weitere Verbesserungspotentiale. Essentiell für eine gelingende Waldbrandprävention ist immer die enge Zusammenarbeit – auch präventiv – zwischen Feuerwehren und Forst: Waldbrandeinsatzkarten, Rettungspunkte und die „gleiche Sprache“ sind Aspekte gelingender Kooperation.
Zu viel oder zu wenig Wasser; beides bringt Probleme für Kommunen. Gerade kleine und mittlere Kommunen in Mittelgebirgslagen sind durch Sturzfluten nach Starkregenereignissen gefährdet. Der Landkreis Fulda hat für solche Fälle ein elektronisches Frühwarnsystem installiert, das im Ernstfall verschiedene Warnstufen auslöst und Betroffene informiert. Das Konzept ist prinzipiell auch auf andere Kommunen oder Landkreise übertragbar. Die Kosten für den Landkreis Fulda betrugen in der Anschaffung ca. 1 Mio. €, die laufenden Wartungskosten liegen bei ca. 3000-4000 € pro Jahr. In Baden-Württemberg wurde das Flutinformations- und Warnsystem FLIWAS entwickelt. Es verschafft Feuerwehren und Verwaltungen einen einfachen Überblick über die relevanten Informationen und speichert zeitgenau, wann welche Informationen vorlagen, welche Entscheidungen getroffen und welche Maßnahmen umgesetzt wurden. Dies hilft insbesondere beim Nachvollziehen und Nachbereiten der Situationen. FLIWAS kann auch in anderen Kommunen und Bundesländern eingesetzt werden. In Rheinland-Pfalz werden kommunale Starkregenvorsorgekonzepte gefördert, die neben der Erstellung von Sturzflutgefahrenkarten auch lokale und mit den Bürgerinnen und Bürgern in Beteiligungsprozessen abgestimmte Maßnahmenvorschläge enthalten. Neben der Pflicht zur Eigenvorsorge (§5, Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz) zeigt sich dabei, dass eine Kombination vieler kleinerer Maßnahmen (z.B. Agroforst, Muldensysteme) eher umsetzbar ist, als einzelne Großprojekte. Besonders, weil Anpassungsoptionen mittels naturbasierter Lösungen viele dezentrale kleine Flächen benötigen, die im Allgemeinen nicht (ausreichend) in Form von kommunalen oder öffentlichen Flächen vorhanden sind. Um Privatpersonen für Anpassungsmaßnahmen auf ihrem Land zu motivieren, müssten einerseits sektorübergreifende (d.h. Sturzflutschutz, Biodiversität, Aufenthaltsqualität und weitere Aspekte adressierende) Fördermöglichkeiten für solche Maßnahmen aufgestellt werden, andererseits können Flächenbesitzende als Vorbilder für Klimaresilienz gewürdigt werden. Die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen kann in Regionen schwierig sein, wo das Bewusstsein für den Klimawandel und die Notwendigkeit zur Anpassung nur wenig etabliert sind. Hier ist die Anknüpfung an andere soziale Systeme oder Formate ein möglicher Weg, über „Co-Benefits“ Maßnahmen zur Klimaanpassung in die Diskussion zu bringen. Auch bei fehlendem politischem Willen in manchen Ebenen der Politik ist der Schutz der Bevölkerung erforderlich und es gehört zu unserer Verantwortung, uns dafür einzusetzen. Neben zu viel Wasser wird aber auch zu wenig Wasser gerade in Mittelgebirgslagen zunehmend zum Problem. An einem Beispiel aus dem Schwarzwald wurde eine interkommunale Kooperation mit Leitungsverbund zur Wasserversorgung vorgestellt, die die bisherige lokale Wasserversorgung ergänzt. Dabei gilt es, die Ressource Wasser zu schützen, zu schonen und bedarfsgerecht bereitzustellen. Neben dem Leitungsverbund wurde auch auf die Notwendigkeit von lebensmittelrechtlich zugelassenen öffentlichen Zapfstellen und ebensolchen Wasserliefermöglichkeiten benannt.
Fördermöglichkeiten
Bundesförderprogramme:
- Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel
Fokus: u.a. lokale Anpassungsmanager:innen
www.z-u-g.org/das - Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen
Fokus: Konzepte, Modellvorhaben zur Anpassung in sozialen Einrichtungen
www.z-u-g.org/anpaso
Förderprogramme Hessen:
- Klimarichtlinie:
Fokus: Klimaschutz und Klimaanpassung in Kommunen
Klimarichtlinie | landwirtschaft.hessen.de - Städtebauförderung
Fokus: nachhaltige und klimaresiliente Stadtentwicklung, grün, blau, graue Infrastruktur
Städtebauförderung HE - Forstliche Förderung
Fokus: Allg. Forstbewirtschaftung + Förderlinie Extremwetter (z.T. offen, z.T. jährlich)
https://rp-darmstadt.hessen.de/umwelt-und-energie/forsten/forstliche-foerderung - Förderung Wasserbereich
Fokus: Renaturierung, Hochwasser, Beseitigung von Hochwasserschäden, Klimaanpassung
https://umwelt.hessen.de/wasser/foerderung
Nützliche Materialien Hessen
Klimaportal Hessen (Klimadaten Vergangenheit und Zukunft)
Online-Tool Stadtgrün im Klimawandel zur Unterstützung bei der Auswahl klimaresilienter Begrünung (Bäume, Dach- und Fassadenbegrünung) für den Siedlungsraum
Praxisleitfaden zur Kommunalen Gestaltungssatzung zur Klimaanpassung im Siedlungsbereich
Entscheidungs- und Ausschreibungshilfen für Stadtklimaanalysen
Starkregen: Starkregen Hinweiskarte, kommunale Fließpfadkarte
Checkliste für Klimaangepasste Quartiere in Hessen
Kommunalen Etablierungseinschätzung der Asiatischen Tigermücke für BaWü, RLP, He und TH (ab März 2024 auf der Internetseite der KABS)
Entscheidungshilfen zur klimaangepassten Baumartenwahl im Wald