12. Hessischer Klimaempfang
25. April 2023, Schloss Biebrich, Wiesbaden
Zu Gast: Prof. Dr. Thomas Schmid als Ersatz für Prof. Dr. Maja Göpel
Der 12. Hessische Klimaempfang war nach den Jahren der kleinen und eingeschränkten Veranstaltungen extrem gut besucht. Auf Einladung des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) und des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) fanden sich über 400 Gäste aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Forschung im Schloss Biebrich in Wiesbaden ein. Fernsehmoderator Thomas Ranft führte auch in diesem Jahr durch das Programm.
Die hessische Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Priska Hinz, eröffnete den Abend mit der Frage, ob bei so vielen Krisen überhaupt noch Platz für Klimapolitik bleibt. Die Frage beantwortete sie klar mit dem Satz: „Wir können und dürfen uns nicht zurücklehnen.“ Hinz verdeutlichte, dass wir, gerade um den aktuellen Problemen zu begegnen, eine klimagerechte Transformation brauchen, z.B. eine fossilfreie Energieversorgung, um die Abhängigkeit zu Russland zu reduzieren. Besserer ÖPNV und mehr Rad- und Fußwege trügen zu einer sozial gerechteren Mobilität bei.
In Hessen sind die Weichen aber bereits gestellt: Der Landtag hat vor einigen Wochen ein Klimagesetz beschlossen. Damit werden auch zukünftige Landesregierungen verpflichtet, den Klimaplan, den das Land aufgelegt hat, regelmäßig zu aktualisieren und ein zugehöriges Monitoring durchzuführen. Die notwendigen Finanzmittel für die erste Umsetzungsphase stehen im Haushalt zur Verfügung: Mit 370 Mio. finanziert das Land bereits in diesem und im kommenden Jahr konkrete, sehr unterschiedliche Maßnahmen. Zudem wurde ein Klimabeirat eingerichtet, der sich am Tag des Klimaempfangs das erste Mal getroffen hat. Umweltministerin Hinz stellte den Gästen die Mitglieder des neu einberufenen Klimabeirats vor und wünschte ihnen für ihre Arbeit viel Erfolg:
- apl. Prof. Dr. Ulrike Jordan, Universität Kassel, Fachbereich Maschinenbau, Institut für thermische Energietechnik, Fachgebiet Solar- und Anlagentechnik
- Prof. Dr. Martin Lanzendorf, Goethe-Universität Frankfurt/Main, Fachbereich Geowissenschaften / Geographie, Institut für Humangeographie
- Prof. Dr. Sven Linow, Hochschule Darmstadt, Fachbereich Maschinenbau und Kunststofftechnik
- Prof. Dr. Ing. Iris Steinberg, Hochschule Darmstadt, Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen
- Prof. Dr. Flurina Schneider, Goethe-Universität Frankfurt, Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), Frankfurt
Prof. Dr. Maja Göpel war leider erkrankt. Prof. Dr. Thomas Schmid, Präsident des HLNUG, sprang spontan mit einem eigenen Vortrag zum Thema „Klimawandelanpassung auf kommunaler Ebene – Vom globalen Problem zur lokalen Lösung“ ein. Zunächst stellte er die Problematik dar, die häufig als Argument benutzt wird, nicht zu handeln: Deutschland ist nur für zwei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die USA und China haben hier einen viel größeren Beitrag. Dies, so Schmid, sei eine Scheinargumentation. Deutschland ist erstens die viertgrößte Wirtschaftsmacht und „exportiert“ durch Produktion im Ausland seine Emissionen. Zweitens hat Deutschland eine historische Verantwortung. Zurzeit emittiert jede Bürgerin und jeder Bürger neun Tonnen pro Kopf und Jahr in Deutschland. Um das globale Ziel von maximal zwei Grad Erwärmung einhalten zu können, muss das jährliche Budget jedoch bei drei Tonnen pro Kopf liegen. Dies entspräche z.B. einem Lebensstil der fiktiven Person Lena. Lena ist Lehrerin und lebt in einer WG in einem energetisch modernisierten Haus. Sie hat kein Auto, fliegt nie, verbringt ihren Urlaub in Südfrankreich, ernährt sich vegetarisch/regional und kauft ihre Kleidung im Secondhand-Shop. Dieses Beispiel zeigt schon viele Bereiche auf, in denen jede und jeder bei sich selbst anfangen kann.
Deutlich werde, dass unser Lebensstil sich verändern müsse, wenn man sich die globalen und regionalen Auswirkungen des Klimawandels anschaue, gab Prof. Schmid zu bedenken. Er zeigte auf, dass die Temperatur in Deutschland bereits um 1,6 Grad gestiegen ist, im globalen Mittel „nur“ um 1,1 Grad. Dies liegt darin begründet, dass sich die Landregionen generell schneller erwärmen als die Meere. Die Einhaltung des 2-Grad-Ziels global bedeutet also für Hessen schon 2,6 Grad Erwärmung. Für das 2°C-Szenario müssten wir als Weltgemeinschaft also drastische Reduktionen vornehmen. Dazu gehört, dass wir gegen Ende dieses Jahrhunderts aktiv Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen (sog. „negative Emissionen“). Das verfügbare Budget ist in wenigen Jahren aufgebraucht, daher unterstrich Prof. Schmid: „Abwarten hilft nicht.“
Dieses Bewusstsein ist aber nicht neu, und Wissenschaftler wie Prof. Schmid halten seit Jahrzehnten Vorträge über die Zusammenhänge zum Klimawandel und die wahrnehmbaren Auswirkungen. Warum ändert sich aber nichts? Schmid gab zu bedenken, dass Alltagshandeln nicht wissensbasiert sei, sondern vorgeprägt. Routinen müssen hinterfragt werden, um Veränderung zu bewegen. Zusätzlich kommt zusehends ein Generationenkonflikt zu Tage, bei dem die ältere Generation zu Besitzstandswahrung tendiert und die jüngere Generation nachvollziehbar fordert, die Lebensgrundlage durch konsequenten Klimaschutz zu erhalten. Bei allen Veränderungen ist wichtig zu verstehen, dass unsere Zukunft anders aussehen wird, dies aber keine Verschlechterung bedeuten muss, sofern wir uns auf Maßnahmen zum Klimaschutz einlassen.
„Je mehr Klimaschutz wir betreiben, desto weniger wird Klimaanpassung notwendig“, betonte Schmid. Und für die doch erforderlichen Anpassungen an die Folgen des Klimawandels wurde bereits 2008 in Hessen das Fachzentrum Klimawandel und Anpassung am HLNUG gegründet. Durch das Fachzentrum werden Informationen zu den Auswirkungen des Klimawandels in Hessen erarbeitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Zudem sind Beratungsangebote und Handlungshilfen zugänglich, um Betroffenheiten und vor allem Handlungsoptionen aufzuzeigen. Damit wird Klimaanpassung in die Breite gebracht, um die Lebensqualität in den Städten und Kommunen zu erhalten und zu verbessern. Dies wird durch sogenannte KLIMPRAX-Projekte unterstützt. KLIMPRAX bedeutet „Klimawandel in der Praxis“. Um in unterschiedlichen Bereichen vorzusorgen, werden in diesen Projekten Lösungen erarbeitet zu Themen wie klimaangepasstes Stadtgrün, Hitzebelastung, Starkregen, Stadtklima, Planung und Bauen und Krisenvorbereitung.
Zu guter Letzt wünschte Prof. Schmid allen Anwesenden gute Gespräche, einen erfolgreichen Austausch und den Mut, Dinge anzupacken und umzusetzen.
Hier geht es zum Videomitschnitt des Abends.