Klimatologische Referenzperioden
Der vom Menschen (anthropogen) verursachte Klimawandel beeinflusst in zunehmendem Maße die durchschnittlichen klimatischen Verhältnisse in fast allen Regionen der Welt, so auch bei uns in Hessen. Hier ist seit den späten 1980er Jahren eine im historischen Maßstab drastische Erwärmung zu beobachten, die sich auch in den 30-jährigen Temperatur-Referenzperioden zeigt. Die Weltorganisation für Meteorologie hat die Periode 1961-1990 als "Klimanormal" festgelegt. Im Vergleich zu dieser Klimanormalperiode ist das Temperaturniveau in der aktuellen Referenzperiode 1991-2020 in fast allen Monaten deutlich angestiegen, im Mittel um über 1 °C. Veränderungen zwischen den Referenzperioden sind auch für andere Klimaparameter zu beobachten. Allerdings sind z.B. Änderungen für den Niederschlag und die Sonnenscheindauer in größerem Maße auf Veränderungen der internen Klimavariabilität zurückzuführen. Dazu zählen bspw. Veränderungen der Luftmassenverteilung und Persistenz bestimmter Wetterlagen, die sowohl natürlich als auch anthropogen beeinflusst werden.
Nachfolgend finden Sie einige Beispiele, wie sich die Verwendung unterschiedlicher Referenzperioden sowohl auf die Höhe als auch teilweise auf das Vorzeichen ("zu kalt" vs. "zu warm") von Klimaanomalien, also Abweichungen vom "Normalzustand", auswirken kann. Das Fachzentrum Klimawandel und Anpassung verwendet überwiegend die Klimanormalperiode 1961-1990, häufig im Vergleich zur aktuellen Referenzperiode 1991-2020.
Die Webportale des Fachzentrums Klimawandel und Anpassung werden momentan überarbeitet. Die nachfolgend präsentierten Beispiele stammen aus der in Kürze verfügbaren Version der Portale.
Beispiel 1: Abweichung der Jahresmitteltemperatur
Die beiden Abbildungen zeigen die Abweichung des jährlichen Temperaturmittels der Klimastation Frankfurt am Main (Innenstadt) vom jeweils gewählten Referenzzeitraum. Jede Säule repräsentiert die Abweichung der mittleren Temperatur eines Jahres von der gewählten Referenzperiode. Ist die Säule nach unten gerichtet, war das Jahr kälter als die Referenz, ist die Säule nach oben gerichtet, war das Jahr wärmer. Die farbliche Abstufung orientiert sich an der prozentualen Häufigkeit der Temperaturabweichungen während der Referenzperiode. Die Stufen liegen bei 20 % (selten), 5 % (sehr selten) und 1 % (extrem selten).
Bei identischer Datengrundlage ergeben sich sehr unterschiedliche Bewertungen sowohl der Gesamtreihe (siehe Abbildungsbeschriftungen) als auch der Einzeljahre. Während z.B. das Jahr 2016 gegenüber der aktuellen Referenzperiode 1991-2020 als "normal" eingestuft wird, gilt es im Vergleich zur Referenzperiode 1961-1990 als "extrem warm". Gleichzeitig war das Jahr 2010 bei Zugrundelegung dieser Vergleichsperiode "normal", während es gegenüber 1991-2020 "extrem kalt" war. Diese Aussagen gelten in ähnlicher Form für alle Klimastationen in Hessen.
Die beiden Abbildungen zeigen die Abweichung des täglichen Temperaturmittels der Klimastation Frankfurt am Main (Innenstadt) für die Monate Januar bis Anfang September des Jahres 2021 vom jeweils gewählten Referenzzeitraum. Die schwarze Linie repräsentiert die Abweichung der mittleren Temperatur eines Jahres von der gewählten Referenzperiode. "Kältere" Zeiträume sind durch eine blaue, "wärmere" durch eine rote Fläche unterhalb bzw. oberhalb der Linie gekennzeichnet.
Auch hier ergeben sich bei identischer Datengrundlage sehr unterschiedliche Bewertungen sowohl der Gesamtreihe (siehe Abbildungsbeschriftungen) als auch einzelner Tage oder Perioden. Während z.B. die erste Monatshälfte des Januars 2021 gegenüber der Vergleichsperiode 1961-1990 leicht zu mild ausfiel, war sie gegenüber 1991-2020 zu kalt. Gleichzeitig waren große Teile des 2021er Sommers bei gleicher Bewertungsgrundlage (zum Teil recht deutlich) zu kalt, während der Vergleich zu 1961-1990 überwiegend überdurchschnittliche Temperaturen zeigt. Diese Aussagen gelten in ähnlicher Form für alle Klimastationen in Hessen.
Die Abbildung zeigt einen Vergleich der monatlichen mittleren Niederschlagsmengen des Referenzzeitraumes 1961–1990 (dunkelblau) mit dem des Zeitraumes 1991-2020 (grün) für Hessens höchsten Berg, die Wasserkuppe. Diese Mittelwerte werden zur Bewertung der aktuellen Niederschlagsmengen herangezogen. Bei größeren Veränderungen der langjährigen Monatsmittelwerte können daraus veränderte Bewertungen eines Monats resultieren. So ist die Niederschlagssumme beispielsweise in April und Juni zwischen den beiden gezeigten Zeiträumen um mehr als 25 % zurückgegangen, während sie in Januar und Oktober um über 20 % angestiegen ist. Diese Veränderungen können dazu führen, dass derselbe Monat im Vergleich zum einen Datensatz z.B. als 10 % zu nass und im Vergleich zum anderen Datensatz als 10 % zu trocken bewertet wird. Das hier aufgezeigte Prinzip ist für alle Niederschlagsmessstellen in Hessen relevant, fällt je nach Standort allerdings räumlich und zeitlich unterschiedlich aus.
Die beiden Abbildungen zeigen die Abweichung der jährlichen Summe der Sonnenscheindauer der Klimastation Geisenheim vom jeweils gewählten Referenzzeitraum. Die Säulen zeigen die Abweichung der Anzahl der Sonnenstunden eines Jahres von der gewählten Referenzperiode. Ist die Säule nach unten gerichtet, war das Jahr bewölkter als die Norm, ist die Säule nach oben gerichtet, war das Jahr sonniger. Bei identischer Datengrundlage ergeben sich durch den gewählten Referenzzeitraum unterschiedliche Bewertungen sowohl der Gesamtreihe (siehe Abbildungsbeschriftungen) als auch der Einzeljahre. Während z.B. im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961-1990 15 der vergangenen 20 Jahre sonniger als im Durchschnitt (≥ 5 %) waren, so liegt deren Zahl bei Verwendung der Referenzperiode 1961-1990 mit fünf deutlich niedriger. Diese Aussagen gelten in ähnlicher Form für alle Klimastationen in Hessen, wenngleich der Unterschied beider Referenzperioden an manchen Stationen weniger deutlich als in Geisenheim ausfällt.