Nachhaltiger Umgang mit Lebensmitteln
Lebensmittelverluste sind nicht nur aus ethischer Sicht problematisch, sondern stehen auch in einem engen Zusammenhang mit dem Verlust von limitierten Ressourcen. Im Rahmen einer Masterarbeit wurden am Hessischen Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (HLNUG) Ursachen für Lebensmittelverluste, die Verlustmengen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und das Ressourcenschutzpotenzial durch effiziente Lebensmittelnutzung dargestellt.
Für Hessen werden jährliche Lebensmittelverluste von 1,03 Mio. t, entsprechend 166 kg pro Einwohner und Jahr an Hand vorliegender Untersuchungen geschätzt. Der Verlust dieser Lebensmittel entspricht ökologischen Auswirkungen wie z. B. Treibhausgasemissionen von 2,7 Mio. t CO2-Äquivalenten (440 kg pro Einwohner), einem Frischwasserbedarf von 48 Mio. m³ (7,8 m³ pro Einwohner) und einem Flächenbedarf zur Herstellung von Lebensmitteln von 0,34 Mio. ha (550 m² pro Einwohner).
Vermeidungsstrategien für die Akteure der Wertschöpfungskette
Im Weiteren wurden Projekte und Aktionen, die den Lebensmittelverlusten entgegenwirken ermittelt und ihre Übertragbarkeit auf das Bundesland Hessen bewertet. Insgesamt konnten 23 Strategien abgeleitet werden, die nicht nur einzelne Akteure wie Endverbraucher adressieren, sondern Kommunikation und Kooperation entlang der Wertschöpfungskette mit einbeziehen. Aufgrund der Mengen- und Umweltrelevanz wurden Handlungsmaßnahmen im Bereich der Endverbraucher und der Außer-Haus-Verpflegung aufgrund der hohen Abfallmengen und des Verarbeitungsgrades der Lebensmittel als besonders effektiv identifiziert.
Direktvermarktung
Eine am Institut für Abfallwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien durchgeführte Dissertation zum Thema Verluste in der Landwirtschaft benennt hohe Abnahmeanforderungen als Ursache für Verluste am Produktionsstandort.
Zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in der Landwirtschaft wird die regionale Direktvermarktung z. B. in Form von Hofläden empfohlen. Erzeuger können somit Lebensmittel vermarkten, die aufgrund von Abnehmeranforderungen bisher nicht vermarktungsfähig sind. In der Vereinigung der Hessischen Direktvermarkter e. V. sind über 350 Landwirte zusammengeschlossen, die ihre Erzeugnisse direkt an die Verbraucher vermarkten.
Ernteaktion "Gelbes Band"
Im Rahmen der Aktionswoche Deutschland rettet Lebensmittel! hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit Zu gut für die Tonne! und die Ministerien der Länder im Sommer 2021 bundesweit die Ernteaktion "Gelbes Band" ins Leben gerufen. Dabei zeigt ein gelbes Band an wo selbst geerntet werden darf: Besitzer von Obstbäumen und -sträuchern, bei denen die Erträge den eigenen Bedarf übersteigen, markieren diese mit einem gelben Band. So kann Obst, bevor es verdirbt, weiter gegeben werden.
Informationen zu der Aktion auf den Seiten des BMEL
Auch in Hessen beteiligen sich Landkreise, Städte und Gemeinden.
Plattform: Lebensmittel Abfall Vermeiden (LAV)
Die von der DBU geförderte Plattform Lebensmittel Abfall Vermeiden (LAV) wurde vom Institut für Nachhaltige Ernährung der FH Münster entwickelt und bietet eine Zusammenstellung von Instrumenten zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen für kleine und mittelständische Unternehmen. Instrumente sind für die Bereiche der Lebensmittelproduzenten (Brot und Backwaren, Obst und Gemüse, Fisch und Fleisch, Milch und Milchprodukte, andere), des Handels und des Gastgewerbes (Individualgastronomie, Gemeinschaftsverpflegung) verfügbar.
Plattform: Essens-Wert
Das Netzwerk Essens-Wert führt wissenschaftlichen Austausch und Forschungsaktivitäten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen durch. Auf der Webseite des Netzwerkes finden sich Publikationen der Netzwerkpartner zu allen Bereichen der Wertschöpfungskette.
Verpackungsoptimierung
Bedarfsgerechte (z. B. aufteilbare) Verpackungen sowie Verpackungen, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern (z. B. durch Wiederverschließen) können dazu beitragen, den Anfall von Lebensmittelabfällen in Privathaushalten zu reduzieren. Ebenfalls wird empfohlen, Hinweise zur optimalen Lagerung der Produkte auf die Lebensmittelverpackung aufzubringen.
Weitere Informationen zur optimierten Verpackungen können den Publikationen Vermeidung von Lebensmittelabfällen durch Verpackung (Denkstatt GmbH, 2015) und Courtauld Commitment 1 Case Studies (WRAP, 2010) entnommen werden.
Preislich reduziertes Anbieten von Waren mit nahendem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD)
Für den Lebensmitteleinzelhandel wird das preislich reduzierte Anbieten von Ware mit nahendem Mindesthaltbarkeitsdatum empfohlen. Diese Maßnahme wird bereits in vielen Filialen des Lebensmitteleinzelhandels umgesetzt, kann jedoch optimiert werden, wie Untersuchungen der Verbraucherzentrale Hamburg ergaben.
Vermehrtes Anbieten von loser Ware
Verbraucherzentralen schlagen vor, lose statt abgepackte Ware zur Reduktion von Lebensmittelabfällen anzubieten. Hintergrund ist, dass beispielsweise Obstverpackungen mit nur einem beschädigten oder beeinträchtigen Produkt entsorgt werden, obwohl die restlichen Produkte in der Verpackung noch genießbar sind. Des Weiteren ermöglicht die Vergrößerung eines losen Sortiments bedarfsgerechteres Einkaufen, womit Lebensmittelabfällen auf Konsumentenebene vorgebeugt werden kann.
Überprüfung von Vermarktungs- und Handelsnormen
Es wird eine kritische Überprüfung von Vermarktungs- und Handelsnormen für Obst und Gemüse empfohlen, um Verluste auf anderen Wertschöpfungsstufen zu minimieren. Die Verbraucherzentrale NRW fordert, vermehrt Erzeugnisse mit optischen Mängeln zu akzeptieren, insbesondere solche Waren für die keine Handelsklassen mehr gelten.
Alternative Verkaufskonzepte und Vertriebswege
Zur Reduzierung von Lebensmittelverlusten können lebensmittelproduzierende Unternehmen und Lebensmittelhändler, alternative Verkaufskonzepte und Vertriebswege in Betracht ziehen wie z. B. Verkaufsstellen für Brot und Backwaren vom Vortag.
Spenden und weiterverarbeiten
Ein Großteil der Lebensmittelabfäll fällt im Einzelhandel an. Dort werden täglich Produkte über dem Mindesthaltbarkeitsdatum entsorgt. Doch nicht alle diese Produkte sind schlecht. Daher sollten Supermärkte in engem Kontakt zu sozialen Einrichtungen wie den Tafeln oder anderen Suppenküchen stehen, um dort die noch zu verwertenden Produkte zu nutzen.
App: Too good to go
Die App „Too good to go“ bildet eine Vermittlung zwischen Kunden und Gastronomen bzw. Händlern. Die Gastronomen können abends angeben was sie vom Tag übrighaben und es für wenig Geld zum Abholen anbieten. Menschen aus der Nähe können dies in der App sehen und sich die sogenannte „Wundertüte“ abholen.
Maßnahmen in der Außer-Haus-Verpflegung
Zur bedarfsgerechten Planung und Vermeidung von Lebensmittelabfällen stellen Vereine, Verbände, Unternehmen und weitere Organisationen einschlägige Ratgeber, Leitfaden, Tools oder Zertifizierungen für unterschiedliche Betriebstypen zur Verfügung:
- United Against Waste e. V.
- Lebensmittel Abfall Vermeiden (LAV)
- Leitfaden: Vermeidung von Abfällen beim Catering (Umweltbundesamt)
- DEHOGA Umweltcheck
- Leitfaden für die Weitergabe von Lebensmitteln an soziale Einrichtungen (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft)
Restebox
Die Portionen in Restaurants sind meist sehr groß und kosten auch mehr, als wenn man selbst kocht. Trotzdem bleibt oft etwas übrig und landet in der Tonne. Die sogenannte Restebox sollte daher von der Gastronomie viel aktiver angeboten werden, damit die Gäste ihrer Reste mitnehmen und zuhause noch verwerten können. Die Österreichische Seite Restlbox bietet solche Pappboxen an.
Maßnahmen bei Endverbrauchern
Informationen und Tipps zur optimalen Lagerung, zu bedarfsgerechtem Einkaufen, zur Zubereitung, zur Verwertung von Lebensmittelresten sowie Informationen zur Mindesthaltbarkeit und den ökologischen Auswirkungen von Lebensmittelabfällen tragen dazu bei, Lebensmittelabfälle zu verringern. Diese sind in folgenden Links bereitgestellt:
Tipps zur Einkaufsplanung, Lagerung und Resteverwertung
- Initiative „Zu gut für die Tonne“ (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft)
Informationen zu Lebensmittelverlusten, den ökologischen Auswirkungen und Tipps zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen im Haushalt
- Lebensmittel: Zwischen Wertschätzung und Verschwendung (Verbraucherzentrale)
Tipps zur Einkaufsplanung und Lagerung, Informationen über Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum, Tipps zur richtigen Entsorgung und Hintergrundinformationen
- Essensreste, Lebensmittelabfälle (Umweltbundesamt)
Tipps zur Lagerung und Haltbarkeit ausgewählter Lebensmittel
- Wie Sie Lebensmittel lagern können (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit)
Verbrauchertipps zur Brotlagerung
- Brotlagerung (Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V.)
- "Weniger Brot in den Müll" (Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V.)
Mindesthaltbarkeitsdatum
Lebensmittel werden häufig viel zu oft auf Grund des abgelaufenen Mindesthaltbarkeits-datums weggeworfen. Dieses Datum ist jedoch kein Verfallsdatum oder Verbrauchsdatum, sondern gibt an, bis zu welchem Datum der Hersteller einen frischen Verzehr garantiert. Wenn das Datum überschritten wurde, sollte man auf seine Sinne vertrauen und das Produkt nicht einfach ungeöffnet entsorgen. Die Website Mindesthaltbarkeitsdatum.de gibt weitere interessante Informationen zu diesem Thema.
Komplettverwertung
Karotten werden oft geschält und gekocht bevor man sie verzehrt, doch in der Schale sind wichtige Vitamine und Nährstoffe enthalten und außerdem entsteht Abfall, den man vermeiden oder wenigstens noch Nutzen kann. So gibt es viele Gemüsesorten, bei denen wir Sachen wegschneiden und entsorgen, obwohl sie durchaus genießbar sind, wie beispielsweise Radischenblätter. Die Seite Zero-Waste-Familie enthält weitere Vorschläge und Tipps zum Verwerten von komplettem Gemüse.
Regional & saisonal
Äpfel kommen im deutschen Winter oft aus Neuseeland und anderen weit entfernten Orten. So ist das bei jedem Gemüse oder Obst, wenn es nicht saisonal im Supermarkt landet. Diese Produkte sind dann meist unreif geerntet und schon sehr lange unterwegs. Je frischer die Produkte sind, desto länger sind sie haltbar, als besser regionale und saisonale Produkte kaufen, das spart zusätzlich auch noch eine Menge Transportwege ein.
Verteilen oder verschenken
Nach großen Festen bleibt oftmals etwas übrig, manchmal sogar recht viel. Die Gäste freuen sich bestimmt, wenn jeder eine Kleinigkeit mitnehmen darf, so wird alles leer, kein Müll entsteht und jeder hat am nächsten Tag etwas zum Verwerten. Auch wenn man selbst Obst und Gemüse anbaut hat man Tage an denen so viel reif ist, dass man es gar nicht alles Verwerten kann. Da hilft es mal bei Freunden oder Nachbarn anzufragen, ob jemand etwas davon gebrauchen kann und schon hat man weniger Lebensmittel verschwendet und gleichzeitig jemandem eine Freude gemacht. Auf der Website „Taste the Waste“ gibt es auch noch weitere Tipps zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen.
Maßnahmen in der Schulbildung
Durch Integration des Themas Lebensmittel-abfallvermeidung in die Schulbildung kann das Bewusstsein und das Wissen zu einer nachhaltigen Nutzung von Lebensmitteln bereits im Kindes- und Jugendalter vermittelt werden.
- Wanderausstellung „ÜberLebensmittel“
Die Wanderausstellung „ÜberLebensmittel“ der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) präsentiert Informationen und Lösungsvorschläge zu einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Ernährung. Die Ausstellung bietet Angebote für Schulklassen von der 3. bis zur 13. Klasse zu den Themen Herkunft der Lebensmittel, ausgewogene Ernährung, Lebensmittelverluste, zukunftsfähige Landwirtschaft und faire Produktion.
- Verbraucherzentralen
Von den Verbraucherzentralen wird Unterrichtsmaterial zum Thema Ernährung und Lebensmittelabfälle bereitgestellt.