Dossier "Geothermie in Hessen"
FAQs zu Geothermie (06.12.2021): Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Sie ist nachhaltig, effizient und ganzjährig verfügbar: Die Rede ist von der Erdwärme, auch Geothermie genannt. Mit dem heutigen Stand der Technik lässt sich die Erdwärme sowohl oberflächennah als auch in großen Tiefenbereichen von bis zu 5.000 Metern und mehr nutzen. Die Geologinnen und Geologen im HLNUG analysieren die thermischen Eigenschaften des Untergrunds und beraten zu Geothermie in Hessen.
Das geothermische Potenzial ist in Hessen grundsätzlich an jedem Standort ausreichend, um Wohngebäude und auch größere Gewerbeobjekte wirtschaftlich und Primärenergie einsparend mit Heizwärme und Warmwasser versorgen zu können.
Das geothermische Potenzial, das durch die Temperatur und Wärmeleitfähigkeit des Untergrundes bestimmt wird, ist aber nicht an jedem Standort gleich. Erdwärmesonden, die am häufigsten zur Gewinnung von Erdwärme eingesetzt werden, haben meist Tiefen bis 100 Meter. Die mittlere Temperatur dieses Tiefenbereichs beträgt in Hessen überwiegend zwischen 10 Grad Celcius in Höhenlagen wie zum Beispiel Taunus und Vogelsberg sowie etwa 13 Grad in Tiefen liegenden Bereichen in Südhessen wie dem Hessisches Ried und der Untermainebene. Die Bandbreite der Wärmeleitfähigkeiten, die in Hessen auftreten, spiegelt die Vielfalt der hier vorkommenden Gesteine wider. Die niedrigsten Wärmeleitfähigkeiten von circa 1,5 Watt pro Meter und Kelvin (W/m/K) werden im Frankfurter Stadtgebiet gemessen, wo der Untergrund durch eine tonige Schichtenfolge geprägt ist. Die höchsten Wärmeleitfähigkeiten von mehr als 3 W/m/K gibt es überwiegend im Bereich von Marburg, wo massige Sandsteine anstehen und dem Hessischen Ried, wo sich schnell strömendes Wasser positiv auf die Wärmeleitung auswirkt.
Das geothermische Potenzial kann aber nicht überall genutzt werden. So dürfen Erdwärmesonden in den Zonen I bis III von Wasserschutzgebieten nicht errichtet werden. Dieses Verbot betrifft etwa 16 Prozent der bebaubaren Ortslagen von Hessen. Möglich ist hier jedoch meist die Errichtung von Erdwärmekollektoren, die nur Tiefen von wenigen Metern erreichen.
Mit dem Geologie Viewer Hessen und dem Fachinformationssystem Grund- und Trinkwasserschutz Hessen (GruSchu) unterstützt das HLNUG bei der Beurteilung des geothermischen Potenzials und der Genehmigungsfähigkeit geothermischer Anlagen.
Das Potenzial der Tiefengeothermie, bei der mit Bohrtiefen von einigen tausend Metern über 100 Grad heißes Wasser erschlossen wird, so dass mit der Wärme ganze Gemeinden oder Stadtviertel versorgt werden können oder sogar Strom produziert werden kann, ist insbesondere im Oberrheingraben als sehr hoch einzuschätzen. Ein wichtiger Faktor für die Effizienz dieser Anlagen ist neben der Temperatur des geförderten Thermalwassers die mögliche Fördermenge. Das tiefengeothermische Potenzial Hessens ist von der Technischen Universität Darmstadt in Kooperation mit dem HLNUG im Projekt „3 D-Modellierung der Geothermischen Tiefenpotenziale von Hessen" („Hessen 3 D“) und dem kurz vor Abschluss stehenden Nachfolgeprojekt „Hessen 3 D 2.0“ eingehend beschrieben worden.
Die Wärmepumpe ermöglicht eine vor Ort CO2-freie Wärmeversorgung von Wohngebäuden. Wird zum Betrieb der Wärmepumpe CO2-frei produzierter Strom genutzt, ist die Wärmeversorgung vollständig CO2-frei. Die Wärmepumpe und die Nutzung der Geothermie sind daher wichtige Bausteine für die Wärmewende, die zur Erreichung der Klimaziele erforderlich ist.
Das Land Hessen führt bis zum Sommer 2022 ein Projekt durch, mit dem die Technik Bauinteressierten zugänglich gemacht werden und Hemmnisse, die aus fehlenden Informationen resultieren, abgebaut werden sollen. In diesem vom HLNUG initiierten Projekt werden aktuell in 17 hessischen Baugebieten Erdwärmesonden errichtet. Bauinteressierte können sich die Errichtung der Erdwärmesonden in ihrem Baugebiet ansehen. Ihnen werden die Ergebnisse, die durch die Bohrung gewonnen werden, in Form von Steckbriefen zur Verfügung gestellt.
Eine zunehmende Bedeutung werden zukünftig große Erdwärmesonden-Felder sowie mitteltiefe, das heißt in circa 400 bis 2.000 Meter, bis über 2.000 Meter tiefe geothermische Anlagen gewinnen. Sie ermöglichen die Versorgung ganzer Quartiere über Nahwärmenetze.
Ein erfolgreiches Pilotprojekt mit einer 800 Meter tiefen Erdwärmesonde für die Wärmeversorgung eines Industriebetriebes in Heubach bei Groß-Umstadt stellt seit seiner Fertigstellung Ende 2012 die erste Nutzung der mitteltiefen Geothermie in Hessen dar. Es kann als Vorbild für weitere Vorhaben dieser Art dienen.
In Hessen wurden bis heute etwa 9.500 oberflächennahe geothermische Anlagen mit Tiefen von meist um 100 Meter, teils auch bis 300 Meter, in Betrieb genommen. Sie versorgen überwiegend private Wohngebäude mit Wärme. Aber auch sehr große Gebäude wie der neue Henninger Turm in Frankfurt können geothermisch mit Wärme versorgt werden.
Aktuell ist ein Anstieg der jährlich errichteten Anlagen zu verzeichnen: eine Folge steigender Energiepreise und gleichzeitig guten Fördermöglichkeiten.
Bei den Risiken ist zwischen solchen für die Umwelt und denen für die Betreiberinnen und Betreiber zu unterscheiden.
Mögliche Risiken für die Umwelt können bei Erdwärmesonden aus nicht ausreichend abgedichteten Bohrlöchern oder dem Austritt der in den Erdwärmesonden enthaltenen wassergefährdenden Wärmeträgerflüssigkeit resultieren. Nicht ausreichend abgedichtete Bohrlöcher waren die Ursache für alle großen Schadensfälle der Vergangenheit, wie zum Beispiel in Staufen (Baden-Württemberg). In dem für geothermische Anlagen erforderlichen Erlaubnisverfahren werden daher heute bundesweit sehr hohe Anforderungen an die präzise Erkennung der geologischen Situation und die Güte der Bohrlochabdichtung und Dichtheit der Erdwärmesonden gestellt.
Für Betreiberinnen und Betreiber geothermischer Anlagen besteht darüber hinaus das Risiko, dass die geothermische Anlage zu klein geplant wird, so dass dem Untergrund nicht die zur Beheizung erforderliche Wärme entzogen werden kann. Die Einbeziehung eines Energieberaters oder einer Energieberaterin, der oder die den Wärmebedarf des zu versorgenden Gebäudes und seiner Bewohnenden ermittelt sowie eine konservative Planung der geothermischen Anlage können dieses Risiko auf nahezu null senken.