Dossier "Erdbeben in Hessen"
FAQs zu Erdbeben in Hessen (23.09.2020): Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Die Erde bebt, das Messgerät schlägt aus und auf der Homepage des HLNUGs erscheint ein neuer Eintrag – Erdbeben sind vor allem in Südhessen gar nicht selten. Häufig bekommen die Einwohner davon allerdings nichts mit, denn die Beben sind meist nicht spürbar. Der Hessische Erdbebendienst (HED) im HLNUG erfasst alle Ereignisse.
Weitere Informationen und aktuelle Ereignisse:
Den Großteil der Erdbeben machen tektonische Beben aus: Auf dem heißen, zähflüssigen Erdmantel sitzen verschiedene zerbrochene Stücke, sogenannte tektonische Platten. Da sich die Gesteinsplatten bewegen und aneinander reiben, entstehen entlang von Bruchstellen Spannungen. Hin und wieder entlädt sich diese Spannung. Die freiwerdende Energie läuft in Form von Wellen durch die Erde und lässt sie zittern. Sehr starke Erdbeben mit schweren Folgen treten vor allem an den Randbereichen der tektonischen Platten auf. Die natürliche Erdbebenaktivität ist in Deutschland gering.
Erdbeben können auch durch Vulkanaktivität oder Einstürze, wenn Hohlräume unter der Erdoberfläche zusammenbrechen, entstehen. Neben natürlich ausgelösten Beben gibt es induzierte, also menschgemachte Erdbeben – zum Beispiel durch den Bergbau, den Bau und Betrieb eines Wasserreservoirs oder die unterirdische Injektion von Flüssigkeiten.
Hessen liegt mitten auf einer tektonischen Platte, nicht auf einer Bruchstelle. Dennoch können in Hessen, vor allem in Südhessen, Erdbeben auftreten, weil sich die afrikanische und europäische Erdplatte großräumig bewegen. Dabei dreht sich die afrikanische Platte gegen den Uhrzeigersinn und mit ihr Italien und die Adria. Dies verursacht Druck auf den Oberrheingraben, ein Grabensystem, das von der Schweiz über den Frankfurter Raum bis in die niederrheinische Bucht verläuft. Dort setzt sich der Untergrund ganz leicht. Die Gesteine bewegen sich und reiben aneinander. Durch den Druck der Plattenbewegung und die Lösungsprozesse der Gesteinsblöcke kommt es zu Erdbeben im Oberrheingraben. Sie sind nur schwach, so dass meist nur spezielle Messgeräte, die Seismometer, sie erfassen können.
Erdbeben treten hauptsächlich im Süden von Hessen auf, am nördlichen Oberrheingraben. Hier kommt es immer wieder zu Erdbeben. Allerdings kann sich die Erdbebenaktivität nicht nur mit der Zeit verändern, sondern auch örtlich verlagern.
In Hessen gibt es folgende Bereiche mit natürlicher Erdbebenaktivität: der nördliche Oberrheingraben mit seinen Randgebieten wie dem Mainzer Becken, dem Taunus und dem Odenwald sowie das Mittelrheintal, das Fuldatal und das Lahngebiet.
Da ein Erdbeben außerhalb von Hessen auch in Hessen spürbar sein kann, werden beim HED zudem Ereignisse in unmittelbarer Nähe der Landesgrenze berücksichtigt.
In Hessen treten im Durchschnitt ein- bis zweimal pro Jahr mäßig starke Erdbeben auf, die örtlich von der Bevölkerung wahrgenommen werden können. Sie liegen bei einer Magnitude zwischen drei und 3,9. Die Magnitude ist ein Maß für die Erdbebenstärke am Ort des Erdbebens. Die freigesetzte Energie bei einem Erdbeben nimmt pro Magnituden-Stufe um den Faktor 30 zu. Ein Erdbeben der Magnitude vier ist demnach 30-mal stärker als eines der Magnitude drei. Zu leichten, spürbaren Erdbeben kommt es in Hessen im Durchschnitt 15-mal im Jahr. Sie liegen bei einer Magnitude von zwei bis 2,9.
Etwa einmal in zehn Jahren kann Hessen mit einem mittelstarken Erdbeben rechnen, das leichte Gebäudeschäden und Betriebsstörungen verursachen kann. Starke Erdbeben sind generell sehr selten, aber nicht völlig ausgeschlossen. Denn dort, wo schwache Erdbeben auftreten, lässt sich auf mögliche stärkere Ereignisse schließen. Schwache Erdbeben sind sehr viel häufiger und lassen deshalb besonders gefährdete Gebiete erkennen.
In der Nähe des Epizentrums verspüren Menschen teilweise bereits ab einer Magnitude von zwei ein Erdbeben. Das Epizentrum ist der Punkt an der Erdoberfläche, der genau über dem Erdbebenherd, also dem Ausgangspunkt des Bebens, im Erdinneren liegt. Ab der Magnitude drei werden Beben verbreitet wahrgenommen. Erdbeben mit einer Magnitude von vier können in einem Umkreis von bis zu 150 Kilometern bemerkt werden.
Wie gut man ein Erdbeben spürt, hängt neben der Stärke von der Tiefe des Erdbebenherds ab sowie dem jeweiligen Untergrund. Auf einem weichen Boden sind Erdbeben deutlicher zu spüren als auf felsigen Untergrund. Der lokale Untergrund wirkt sich auch auf das Schadensbild aus: Erdbebenwellen werden in Tälern, die mit lockeren Gesteinsablagerungen gefüllt sind, extremer verstärkt als auf festem Felsuntergrund. Sie richten im Talboden entsprechend größere Schäden an. Generell gilt: Je solider der Untergrund eines Gebäudes, desto weniger Schaden können Erdbebenwellen anrichten.
Die Intensität beschreibt die Erdbebenstärke. Viele Länder verwenden dafür die Europäische Makroseismische Skala aus dem Jahr 1998 (EMS-98-Skala), die zwölf Intensitätsstufen beschreibt. Die Skala erstreckt sich von Stufe eins, die für nicht fühlbare Erdbeben steht, bis Stufe zwölf, die vollständige Verwüstung darstellt. Die Intensität bestimmt sich aus dem menschlichen Verhalten, das während eines Erdbebens beobachtet wird, sowie den Schäden an Bauwerken und in der Natur. Sie nimmt mit der Entfernung vom Erdbebenherd grundsätzlich ab und ist auch abhängig vom Untergrund und der Bausubstanz. Ein Erdbeben kann daher mehrere Intensitätsstufen haben, wohingegen es nur eine Magnitude gibt.
Bei der in Hessen üblichen Bauweise treten Schäden an Gebäuden bei Erdbeben mit Intensitäten von maximal sechs bis sieben auf der EMS-98-Skala auf. Zu kleineren Rissen oder Schäden aufgrund herunterfallender Objekte kann es bereits bei Intensitäten von fünf bis sechs kommen. Auch wenn sich Erdbeben nicht vermeiden lassen, besteht die Möglichkeit, Schäden mit relativ einfachen baulichen Mitteln zu minimieren.
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Der HED betreibt 14 fest installierte Messstationen. Sie erfassen natürliche Erdbeben, aber auch Bodenerschütterungen anderen Ursprungs wie zum Beispiel Sprengungen in Steinbrüchen. Die Instrumente, die diese Bewegungen des Untergrunds messen, heißen Seismometer oder auch Seismografen. Moderne Seismometer sind elektromechanische Geräte, die Bodenbewegungen im Bereich von Nanometern, also millionstel Millimetern, registrieren. Die grafische Darstellung eines Erdbebens durch ein Seismometer nennt sich Seismogramm. Für jede der 14 Stationen werden auf der HLNUG-Webseite alle zwei Minuten automatisch Seismogramme der letzten 24 Stunden erzeugt. Da die Bewegung an einer Station während des Bebens nicht gleichförmig ist, entsteht ein wellenförmiges Diagramm mit unterschiedlichen Wellenlängen und Ausschlägen. Aus einer Vielzahl solcher Diagramme lässt sich die Erdbebenstärke sowie die Lage des Erdbebenherdes, das Hypozentrum, bestimmen.
Aktuelle Ereignisse stellt der HED auch in einer Liste dar: Neben Ort und Zeit gibt es hier Textinformationen und eine PDF-Datei mit Karte und Seismogramm. Die Einträge auf der Liste können automatisch generiert oder manuell durch Mitarbeitende des HLNUGs eingestellt sein.
Der HED erfasst alle Erdbeben in Hessen, so können besonders gefährdete Gebiete identifiziert und beispielsweise empfindliche Bauwerke für mögliche Erschütterungen ausgelegt werden. Außerdem werden Erkenntnisse über die geologische Entwicklung der Region gewonnen.
Die Lage eines Erdbebenherdes wird durch die geografischen Koordinaten und die Herdtiefe in Kilometern angegeben. Der genaue Ort des Erdbebenzentrums kann aus einem einzelnen Seismogramm nicht abgeleitet werden. Dazu sind Informationen von mindestens zwei weiteren Seismometer-Stationen erforderlich. Das Stationsnetz des HLNUG ermöglicht die exakte Lokalisierung eines Bebens.
Am Erdbebenherd werden unterschiedliche Wellen erzeugt, die sich mehr oder weniger schnell ausbreiten. Die wichtigsten Wellen für die Lokalisierung sind die Primärwellen (P-Wellen) und die Sekundärwellen (S-Wellen). Zunächst breiten sich bei einem Erdbeben die P-Wellen steil zur Oberfläche aus, wodurch sich der Boden hebt und senkt. Danach folgen die S-Wellen, die den Boden seitwärts zittern lassen. Bei Entfernungen bis zu einigen hundert Kilometern breiten sich die P-Wellen mit Geschwindigkeiten zwischen vier und acht Kilometern pro Sekunde aus und die S-Wellen mit zwei bis viereinhalb Kilometern pro Sekunde. Wegen der unterschiedlichen Geschwindigkeiten wächst der Zeitunterschied zwischen dem Eintreffen der P-Welle und der S-Welle mit zunehmendem Abstand zwischen Erdbebenherd und Messstation. Aus dem Zeitunterschied können Erdbebenforscher die Entfernung bestimmen. Mit Rechenprogrammen können die Wissenschaftler aus den Daten vieler Stationen in Sekundenschnelle die Lage des Erdbebenherdes und die genaue Startzeit des Erdbebenprozesses berechnen.
Auch wenn Erdbeben in Hessen keine Seltenheit sind: Starkbeben sind in Deutschland unwahrscheinlich. Für Bürgerinnen und Bürger, die sich in erdbebengefährdeten Gebieten im Ausland aufhalten, gibt es ein Merkblatt des Geoforschungszentrums in Potsdam.
Wenn Sie ein Erdbeben in Hessen gespürt haben, freuen wir uns, wenn Sie unseren automatisierten Fragebogen ausfüllen. Alle Wahrnehmungen von Erdbeben sind wichtig. Die Daten werden vom HED zur Herstellung von Karten, die die Auswirkungen eines Erdbebens zeigen, verwertet. Wir danken für Ihre Mithilfe.