Umweltindikatoren Hessen
Grundwasserneubildung
Jährlicher Mittelwert [mm/a]
Bedeutung
Für eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Grundwasserressourcen sind die Ermittlung der Grundwasserneubildungsraten und die Abschätzung erschließbarer Grundwassermengen von zentraler Bedeutung.
Die Witterung bzw. das Niederschlagsregime haben den größten Einfluss auf die Grundwasserneubildung.
Neben Menge und jahreszeitlicher Verteilung der Niederschläge als wichtigste Steuergrößen für die Grundwasserneubildung nehmen weitere klimatologische, landnutzungsspezifische, morphographische, pedologische und hydro(geo)logische Faktoren Einfluss auf die Neubildungsraten.
Veränderte Neubildungsraten mit entsprechenden jahreszeitlichen Schwankungen können darüber hinaus weitere Auswirkungen haben wie z. B. eine Stickstoffmineralisierung im Boden, die bei hohen Temperaturen sowie geringer Bodenfeuchte in den Sommermonaten nahezu zum Stillstand kommt, im Herbst jedoch bei einer Wiederbefeuchtung des Bodenkörpers zu einer verstärkten N-Mobilisation aus der organischen Bodensubstanz führen kann. Damit erfolgt eine verstärkte Nitratanlieferung zu einer Jahreszeit, in der das Pflanzenwachstum und der Entzug von Nitrat durch die Pflanzenaufnahme relativ gering sind. Bei erhöhter Grundwasserneubildung wird die Nitratauswaschungsgefährdung merklich erhöht.
Die Modellierung der Grundwasserneubildung soll als Umweltindikator dauerhaft im Sinne eines Monitoring jährlich fortgeschrieben werden. Nur so lassen sich Veränderungen frühzeitig erkennen und die Trends der Szenariensimulationen überprüfen.
Bei dem derzeitigen Verfahren ist zu beachten, dass dieses Verfahren ursprünglich für die Ermittlung langjähriger Mittelwerte der Grundwasserneubildung entwickelt wurde, so dass die ermittelten Jahreswerte mit Unsicherheiten behaftet sind. Bis zur Verfügbarkeit eines geeigneteren Verfahrens wird das hier beschriebene Modellkonzept unter Inkaufnahme gewisser Modellunsicherheiten für die Ermittlung von jährlichen Grundwasserneubildungsraten weiterhin eingesetzt.
Definition
Im Rahmen des Kooperationsvorhabens KLIWA werden vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie flächendifferenzierte Wasserhaushaltsmodellierungen für die Gesamtfläche des Bundeslandes Hessen durchgeführt und jährlich fortgeschrieben (KLIWA 2017). Dabei wird neben anderen Wasserhaushaltskomponenten die Grundwasserneubildung als die wesentliche Zielgröße des Verfahrens ermittelt.
Für die Modellierung des Bodenwasserhaushalts und der Grundwasserneubildung kommt ein zweistufiges Verfahren zum Einsatz, bei dem das Einschicht-Bodenwasserhaushaltsmodell GWN-BW (KLIWA 2012; GUDERA & MORHARD 2015) mit einem speziell für Hessen entwickelten Regressionsmodell (HERGESELL & BERTHOLD 2005) gekoppelt wird. GWN-BW ist ein deterministisches, flächendifferenziertes Modell zur Berechnung der aktuellen Evapotranspiration zur Simulation des Bodenwasserhaushaltes sowie zur Bestimmung der unterhalb der durchwurzelten Bodenzone gebildeten Sickerwassermenge. Das Modell wird im Rahmen des Kooperationsprojektes KLIWA länderübergreifend in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen angewendet. In den einzelnen Teilmodulen kommen sowohl physikalisch basierte als auch konzeptionelle Ansätze zur Beschreibung der an den Vorgängen von Verdunstung und Sickerwasserbildung beteiligten Prozesse zur Anwendung. Die Berechnung erfolgt auf Basis von Tagesschritten, die räumliche Diskretisierung erfolgt in Hessen durch ein zugrunde gelegtes 100 m - Raster.
Für die Simulation des Bodenwasserhaushalts gehen als meteorologische Eingangsdaten Tageswerte für Niederschlag, Lufttemperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Sonnenscheindauer und Windstärke ein. Bis auf den Niederschlag werden hierzu Stationsdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) verwendet, die mit GWN-BW räumlich interpoliert werden. Bei den Niederschlagsdaten wird auf die vom DWD regionalisierten REGNIE-Rasterdaten zurückgegriffen. Die für die Strahlungsberechnung benötigten Parameter Hangneigung und Exposition werden aus dem digitalen Höhenmodell abgeleitet. Als Landnutzung werden ATKIS-Daten verwendet, die in 16 simulationsrelevante Nutzungsklassen klassifiziert wurden. Die wichtigste Kenngröße zur Simulation des Bodenwasserhaushalts ist die nutzbare Feldkapazität des effektiven Wurzelraums (nFKWe). Diese wurde auf Grundlage der Bodenflächendaten Hessen im Maßstab 1 : 50.000 aus der nutzungsspezifischen Durchwurzelungstiefe, dem Bodensubstrat und dessen Gründigkeit abgeleitet. Sie stellt den entleerten bzw. auffüllbaren Bodenspeicher dar. Darüber hinaus wurden Angaben zu Substrat, Gründigkeit und mittlerem Grundwasserflurabstand benötigt, um den kapillaren Aufstieg zu berücksichtigen.
Die mit GWN-BW berechnete Sickerwasserrate entspricht in Gebieten mit vernachlässigbaren schnellen lateralen Abflusskomponenten (z. B. in den meist ebenen Porengrundwasserleitern) der Grundwasserneubildung aus dem Niederschlag. In reliefierten Festgesteinsgebieten kann die mit GWN-BW berechnete Sickerwasserbildung nicht direkt mit der Grundwasserneubildung gleichgesetzt werden, da ein Teil des gebildeten Sickerwassers in schnelle laterale Abflusskomponenten transformiert wird. Daher wird in reliefierten Festgesteinsgebieten die Sickerwasserrate unter Verwendung des auf Basis von Abflussmessungen regressionsanalytisch ermittelten und regionalisierten Baseflow-Index (BFI) in die schnellen lateralen Direktabflussanteile und der Grundwasserneubildung separiert (HERGESELL & BERTHOLD 2005).
Datenquelle
Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie ermittelt die Daten mit eigenen Wasserhaushaltsmodellierungen unter Verwendung von Grunddaten des Deutschen Wetterdienstes und stellt sie jährlich zur Verfügung.