Umweltindikatoren Hessen
Gewässerstruktur
- Grad der Veränderung der Gewässerstruktur [7 Klassen] [1]
- Anteil der Querbauwerke mit einer guten fischökologischen Durchgängigkeit in Fließgewässern [%] [1]
Bedeutung
Naturbelassen zeigen Bäche und Flüsse eine Abfolge gewässertypischer Strukturen wie Kiesbänke, Flach- und Steilufer, Inseln und Kolke. Zusammen mit dem Abfluss und der Gewässergüte beeinflusst die Gewässerstruktur ganz wesentlich die Lebensbedingungen in und an Gewässern. Ökologisch wertvoll sind Strukturen, die einem möglichst naturnahen Zustand entsprechen. Beispielsweise ist dies bei befestigungslosen Sohlen oder Uferrändern anzunehmen. An vielen Fließgewässern ist jedoch das gewässertypische Strukturangebot infolge von Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen verloren gegangen, vor allem in intensiv land- oder forstwirtschaftlich geprägten Flächen.
Mit der Einführung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG vom 23.10.2000; WRRL) wird ein ganzheitliches Schutz- und Nutzungskonzept der europäischen Oberflächengewässer verfolgt. Ein Ziel ist das Erreichen des mindestens guten ökologischen Zustands für alle Oberflächengewässer bis 2015. Neben physikalischen und chemischen Faktoren trägt auch die Gewässerstruktur als morphologische Bedingung dazu bei. Der Zustand der Gewässerstruktur steht für die hydromorphologische und ökologische Integrität von Landschafts- und Lebensräumen und sichert ihren Arten – bei guter Wasserqualität – einen nachhaltigen Bestand. Fließgewässer erzeugen durch ihre hydrodynamischen Prozesse eine besondere Vielfalt an Lebensräumen und Arten. Der Indikator dokumentiert umfassend und integrierend alle Veränderungen wie z. B. durch Renaturierungsmaßnahmen. Die ökologische Durchgängigkeit der Fließgewässer ist für viele wandernde aquatische Organismen aber auch für den Feststoffhaushalt von besonderer Bedeutung. Für viele Fischarten ist eine ungestörte Wanderung notwendig, um die für den Lebenszyklus und den Fortbestand wesentlichen Lebensräume innerhalb der Gewässer, der Auen und der marinen Lebensräume zu erreichen.
Definition
Zu 1.) Grad der Veränderung der Gewässerstruktur
Der Teilindikator dokumentiert die Gewässerstruktur unter Anwendung der Gewässerstrukturklassifizierung der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA).
Vor dem Hintergrund der in weiten Teilen stark veränderten Gewässerstruktur auf der einen Seite und streckenweise begründeten Restriktionen bei der Gewässerentwicklung auf der anderen, ist die erreichbare Natürlichkeit der Gewässerstruktur in zwei Kategorien zu differenzieren. Dies sind einmal „erheblich veränderte" Fließgewässer, für die aufgrund spezifischer Nutzungen nur eine eingeschränkte Entwicklung der Gewässerstruktur möglich ist und zum zweiten „nicht erheblich veränderte" Fließgewässer, für die eine Entwicklung nur mit geringen oder ohne Restriktionen ermöglicht werden kann.
In die Berechnung des Indikators gehen alle Fließgewässer in Hessen ab einem Einzugsgebiet von 10 km2 ein, für die durch das Übersichts- oder das Vor-Ort-Verfahren der LAWA die Gewässerstrukturklasse ermittelt worden ist. Aufgrund methodischer Unterschiede in den Kartierverfahren werden die Bundeswasserstraßen ausgenommen. Für alle berücksichtigten Fließgewässerstrecken erfolgt zunächst die Zuordnung der Strukturklasse gemäß der 7-stufigen LAWA-Klassifizierung zur Ermittlung der Gewässerstruktur. In einem zweiten Schritt werden die Fließgewässer entsprechend ihrer Kategorie eingestuft. Die Zuordnung obliegt in Hessen dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) und den oberen Wasserbehörden in den Regierungspräsidien. In einem dritten Schritt wird die mittlere Strukturklasse für jede Kategorie getrennt ermittelt. Die Darstellung erfolgt auf einer siebenstufigen Skala als Grad der Abweichung vom natürlichen Zustand (1 = unverändert, 2 = gering verändert, 3 = mäßig verändert, 4 = deutlich verändert, 5 = stark verändert, 6 = sehr stark verändert, 7 = vollständig verändert). Die Bilanzierung der Fließgewässerkategorien erfolgt durch Mittelwertbildung über alle Strecken der jeweiligen Kategorie. Durch die Verwendung des Mittelwertes wirken sich Verbesserungen auch in den schlechteren Strukturklassen (z. B. Verbesserungen von Strukturklasse 7 nach 6) auf die Bilanzierung aus.
Zu 2.) Anteil der Querbauwerke mit einer guten fischökologischen Durchgängigkeit in Fließgewässern
Der Teilindikator ist definiert als Anteil der für den Fischaufstieg durchgängigen Querbauwerksstandorte im Verhältnis zur Gesamtzahl der signifikanten Querbauwerksstandorte in den Gewässern >10 km2. Gewässer dieser Größenklasse sind die wesentlichen Verbindungsgewässer für die diadromen (Wanderfische, die Abschnitte ihres Lebens im Meer verbringen) und die potamodromen (Wanderfische innerhalb eines Flussgebietes) Fischarten. Bei diesen besonders bedeutsamen Gewässern sollte die Durchgängigkeit möglichst aller Querbauwerksstandorte für den Fischaufstieg angestrebt werden (Ausnahme: Talsperren). In den anderen Bundesländern werden überwiegend Fließgewässer ab einem Einzugsgebiet > 100 km2 untersucht.
Berechnet wird der prozentuale Anteil der für den Fischaufstieg als durchgängig eingestuften Querbauwerksstandorte an der Gesamtzahl der signifikanten Querbauwerksstandorte an hessischen Gewässern mit einem Einzugsgebiet >10 km2 einschließlich der Bundeswasserstraßen (insgesamt 19280 Querbauwerke). Datengrundlage ist die Wanderhindernisdatenbank des Landes Hessen.
Die Herstellung der Durchgängigkeit für den Fischaufstieg an den als signifikant eingestuften Querbauwerken in Gewässern >10 km2 Einzugsgebiet begründet für viele Fischarten die Entwicklung nachhaltig lebensfähiger Bestände. Dies gilt insbesondere für die Wiederansiedlung von Wanderfischen, die Abschnitte ihres Lebens im Meer verbringen (diadrome Arten wie z. B. Lachs und Aal). Ebenso gilt dies für Arten, die größere Wanderungen innerhalb eines Flussgebietes unternehmen (potamodrome Arten wie z. B. Barbe und Nase).
Datenquelle
Die Daten werden vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) ermittelt.
[1] Dieser Indikator gehört zu einem gemeinsamen Satz von 25 umweltspezifischen Nachhaltigkeitsindikatoren (Umweltindikatoren) des Bundes und der Länder, der erstmals im Jahr 2004 von der Umweltministerkonferenz (UMK) beschlossen wurde. Die Länderinitiative Kernindikatoren (LiKi) kümmert sich um die Entwicklung, Pflege und Dokumentation dieser Indikatoren.