Wiesbaden, 04.05.2022 – Eine Wolfsfamilie mit Welpen im Rheingau, zwei Wolfspaare und vier einzelne Tiere – Wölfe werden auch bei uns wieder heimisch. Seit sich im Frühjahr vor zwei Jahren die erste Wölfin fest in Hessen niedergelassen hat, ist die Population langsam, aber stetig gewachsen: Zehn adulte, sesshafte Tiere sind dem Wolfszentrum Hessen (WZH) am Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) derzeit per Gennachweis bekannt. Die gute Nachricht: Obwohl es mehr Wölfe gibt, ist die Zahl der bestätigten Nutztierrisse seit drei Jahren gesunken – Hessens Wölfe jagen offenkundig fast ausschließlich Wild. Allerdings kann die Zahl der Nutztierrisse mit weiteren durchziehenden oder neuen sesshaften Tieren auch wieder zunehmen, wenn Weidetiere nicht ausreichend geschützt sind.
Wölfe stehen in der EU unter strengem Schutz, in Hessen sind sie nach wie vor selten. Zwar hinterlassen auch immer wieder einzelne Wölfe auf Wanderschaft ihre genetischen Spuren in Hessen, von diesen lassen sich aber bei Weitem nicht alle hier nieder: Viele befinden sich nur auf der Durchreise durch unser zentral gelegenes Bundesland und nicht wenige fallen dabei dem Straßenverkehr zum Opfer.
Tiere und Territorien – aktueller Stand
In Hessen gab es im letzten Monitoringjahr (2021/2022) sieben Wolfsterritorien: Neben einem Rudel mit zwei Elterntieren und mindestens drei Welpen bei Rüdesheim im Rheingaus-Taunus-Kreis wurden mittlerweile zwei sesshafte Wolfspaare nachgewiesen: eines bei Ludwigsau im Kreis Hersfeld-Rotenburg und eines bei Wildflecken in der Rhön, dessen Territorium als länderübergreifend zwischen Hessen und Bayern gilt. Darüber hinaus gab es vier sesshafte Einzelwölfe: Ihre Territorien lagen im Vogelsberg, im nordhessischen Stölzinger Gebirge, in der Rhön länderübergreifend mit Thüringen und Bayern und im Odenwald länderübergreifend mit Baden-Württemberg. Insgesamt gab es damit im vergangenen Monitoringjahr in Hessen zehn erwachsene sesshafte Einzeltiere und mindestens drei Welpen.
Ein Wolfsterritorium kann allerdings auch wieder erlöschen, wenn es über ein Jahr lang keinen genetischen Nachweis des dort sesshaften Wolfes mehr gab: Dann ist davon auszugehen, dass sich das betreffende Tier nicht mehr dort aufhält. Dieser Fall ist nun für das Territorium im Vogelsberg eingetreten, da bisher für den Berichtszeitraum kein genetischer Nachweis erbracht wurde.
Durchziehende Wölfe kann es in Hessen jederzeit geben, diese werden jedoch meist nur einmalig oder wenige Male nachgewiesen und verschwinden dann wieder von der Bildfläche des hessischen Wolfsmonitorings.
Bilanz Wolfsnachweise und Nutztierrisse
Im Wolfszentrum Hessen (WZH) werden alle Meldungen und Hinweise auf Wölfe in Hessen – auch per Mail – entgegengenommen und geprüft.
Im vergangenen Monitoringjahr 2021/22 gab es mehr als 620 Meldungen, dazu gehören Sichtungsmeldungen, Fotos, Videos und genetische Nachweise. Über 240 davon gelten als gesicherte Nachweise (sog. C1-Nachweise, Erläuterung unten). In 18 Fällen handelt es sich um bestätigte Rissvorfälle, davon wiederum zwei Rissereignisse an Nutztieren, bei denen ein Wolf genetisch nachgewiesen wurde. Dabei wurden insgesamt vier Schafe getötet, fünf weitere gelten als verschollen.
Obwohl die Anzahl der Wölfe und die Zahl der Hin- und Nachweise in Hessen in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat, ist die Anzahl der bestätigten Nutztierrisse gegenüber dem vorherigen Monitoringjahr zurückgegangen: Wurden im Monitoringjahr 2019/20 zwölf Rissereignisse an Nutztieren verzeichnet, waren es 2020/21 sieben und 2021/22 wie oben beschrieben zwei, die amtlich bekannt und genetisch nachgewiesen wurden. Die folgende Tabelle (Stand 30.4.2022) veranschaulicht diese Tatsache:
Monitoringjahr | Geprüfte Meldungen | Bestätigte Nutztierrisse |
2019/20 | 300 | 12 |
2020/21 | 414 | 7 |
2021/22 | 624 | 2 |
Zugenommen hat auch die Zahl der Nachweise über Kamerafallenbilder – dies ist jedoch über das aktive Monitoring mit Fotofallen zu erklären, welches das WZH mittlerweile an mehreren Standorten betreibt.
Wolfsmonitoring Hessen
Zuständig für das Wolfsmonitoring in Hessen ist das Wolfszentrum Hessen (WZH) beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Dort werden alle eingehenden Hinweise und Verdachtsfälle aufgenommen, umgehend geprüft und dokumentiert. Sowohl die bestätigten Nachweise als auch die Riss-Verdachtsfälle werden auf der Homepage des HLNUG veröffentlicht, in besonderen Fällen (Nachweis Territorium, Paarbildung, Rudel etc.) auch über eine Pressemitteilung und Social Media.
Hinweise und Verdachtsfälle, von denen das WZH keine Kenntnis erlangt, können nicht verifiziert werden und somit auch nicht als amtlich gesicherter Wolfsnachweis dienen – für Nutztierschäden, die nicht offiziell gemeldet werden, kann somit in der Regel kein Schadensausgleich durch das Land Hessen erfolgen.
Eine konkrete Darstellung der Zuständigkeiten im hessischen Wolfsmanagement findet sich im Hessischen Wolfsmanagementplan (S. 16ff.).
Meldeweg und Verfahrensweise bei Nutztierschäden
Hinweise auf Wölfe können per E-Mail über das Wolfspostfach (wolf[at]hlnug.hessen.de) oder telefonisch (0641-200095 22) an das WZH gemeldet werden. Alternativ kann bei Nutztierschäden mit Verdacht auf Wolfsbeteiligung direkt auf das Netz der ehrenamtlichen Wolfsberaterinnen und Wolfsberater zurückgegriffen werden. Die Liste mit Kontakten findet sich unter: hlnug.de/wolf. Dort gibt es auch einen Meldebogen für Sichtbeobachtungen sowie Informationen über Wölfe in Hessen (z.B. Verdachts- und Nachweisliste). Eine grafische Darstellung des Meldewegs findet sich im Hessischen Wolfsmanagementplan (S. 36).
Wird dem WZH ein Nutztierschaden mit Verdacht auf Beteiligung eines Wolfes gemeldet, schließt sich ein standardisiertes Verfahren mit Fallaufnahme und Untersuchung an. Dafür begutachtet eine Wolfsberaterin oder ein Wolfsberater mit spezieller Schulung die Situation vor Ort und nimmt zur Ermittlung eines möglichen Rissverursachers DNA-Proben am Kadaver. Alle Proben werden im wildtiergenetischen Labor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, dem Nationalen Referenzzentrum für genetische Untersuchungen bei Wolf und Luchs analysiert. Zusätzlich oder alternativ kann in Abstimmung mit den Tierhaltenden die Überführung des Kadavers in den Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) nach Gießen zur pathologischen Untersuchung durch das WZH veranlasst werden. Alle Untersuchungen im Rahmen des Wolfsmonitorings sind für die Tierhaltenden kostenlos, über die Ergebnisse werden die Betroffenen unmittelbar nach Vorliegen beim WZH (genetische Analyseergebnisse) oder direkt durch den LHL informiert.
Im Falle des Verdachts gerissener Wildtiere wird durch das WZH vorab geprüft, ob eine Beprobung überhaupt Erfolg versprechen würde – dieser ist unter anderem abhängig von der Auffindesituation, dem Alter des Kadavers, dem Wetter und dem Nutzungsgrad durch sogenannte „Nachnutzer“. Ergibt diese Prüfung, dass eine Beprobung, etwa aufgrund zu langer Liegezeit oder wegen Regenwetters, aller Voraussicht nach ergebnislos bliebe, so kann darauf verzichtet werden. Das Wildtierrisse überhaupt in das Monitoring großer Beutegreifer einfließen, ist eine Besonderheit in Hessen: In vielen anderen Bundesländern wird auf diese Ergänzung verzichtet.
Prüfung nach bundeseinheitlichen Kriterien
Alle beim WZH eingehenden Wolfsmeldungen werden gemäß bundesweiter Monitoringstandards (vgl. BfN-Skript 413) geprüft. Dabei werden die Hinweise hinsichtlich ihrer Überprüfbarkeit in drei Kategorien unterteilt: Als eindeutige Nachweise (C1) gelten genetische Nachweise und aussagekräftige, überprüfte Fotos mit verifizierbarem Standort. Bestätigte Hinweise (C2) sind solche, die durch das WZH als Wolfshinweise bestätigt werden konnten. Alle weiteren Meldungen werden in die Kategorie C3 „nicht überprüfbare Hinweise“ eingestuft. Hierzu zählen alle Sichtungen ohne Fotobeleg und andere Meldungen, die nicht überprüfbar sind. Näheres hierzu im Hessischen Wolfsmanagementplan (S. 45).
Hintergrund Monitoringjahr
Anders als ein Kalenderjahr geht das Wolfsjahr aus wissenschaftlicher Sicht von Anfang Mai bis Ende April. Dieser Festlegung liegt die biologische Tatsache zugrunde, dass im Mai neuer Wolfsnachwuchs geboren wird. Im Rahmen des Wolfsmonitorings wird erfasst und dokumentiert, wo und wie viele Wölfe derzeit in Hessen leben. Antworten auf weitere Fragen gibt das FAQ zum Wolfsmonitoring.
Weitere Informationen:
https://www.hlnug.de/dossiers/wolfsmonitoring
https://umwelt.hessen.de/sites/umwelt.hessen.de/files/2021-06/wolfsmanagementplan_hessen.pdf
https://www.bfn.de/sites/default/files/2021-04/Skript413.pdf