Wiesbaden, 02.03.2022– Wer früher längere Strecken auf der Autobahn fuhr, musste regelmäßig Raststätten ansteuern, um die Windschutzscheibe von toten Fliegen und anderen Insekten zu reinigen. Diese Zeiten sind vorbei. Kein Grund zur Freude, denn die saubere Scheibe steht heute sinnbildlich für das Insektensterben. Mehr als 80 Prozent unserer Nutzpflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Die leisten zwar auch Honigbienen, aber bei Weitem nicht in dem Maß wie Wildbienen, Schwebfliegen, Käfer, Schmetterlinge, Wespen und andere Insekten. „Wespen erbringen außerdem als Schädlingsbekämpfer einen gewaltigen Dienst“, erläutert Insektenexperte Niklas Krummel vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG).
Indem Vielfalt und Menge der Insekten zurückgehen, gerät ein ausgeklügeltes Gleichgewicht in Gefahr. „Dann funktionieren Prozesse nicht mehr, die uns völlig selbstverständlich erscheinen, beispielsweise die Bestäubung von Apfelbäumen, die zwar Tausende von Blüten haben, aber nur wenige Früchte tragen, wenn die Bestäuber fehlen“, so Krummel. Insekten sind außerdem die Nahrungsgrundlage für viele andere Arten, auch bei insektenfressenden Wirbeltieren wurden schon entsprechende Rückgänge nachgewiesen.
Beginn der Gartensaison – Insekten im Garten unterstützen
Auch im heimischen Garten oder auf dem Balkon können Insekten in kleinem Maßstab gefördert und geschützt werden. Viele Pflanzen und Insekten haben sich im Laufe der Evolution aufeinander eingespielt. Im eigenen Garten sollte es daher bunt hergehen: Einheimische Bäume, Sträucher, Wildkräuter und Blühpflanzen mit offenen Blüten sollten in keinem Garten fehlen. Aber nicht nur das Nektar- und Pollenangebot ist entscheidend. Mindestens ebenso wichtig sind Nistmöglichkeiten, z.B. für Wildbienen, oder Futterpflanzen, wie Disteln, Wilde Möhre und Brennnesseln für Schmetterlingsraupen. Mehr als 75 Prozent der heimischen Wildbienen nisten in Böden, daher können offene Bodenstellen, etwa entlang von kleineren Wegen oder in lückenhaft-bewachsenen Blühwiesen, im Garten gern genommene Nistmöglichkeiten sein. Einige Wildbienen, wie die Gehörnte und Rote Mauerbiene nehmen auch künstliche Nistmöglichkeiten an. Beide Arten sammeln Substrat an offenen Bodenstellen und können so ihre Niströhren mit Erde verschließen. Um die Diversität im Garten insgesamt zu fördern, sollte man möglichst viele Strukturen schaffen. Man kann naturnahe Teiche und Wasserstellen schaffen, Totholz stehend oder liegend vor Ort belassen oder auch die Stängel der Stauden bis zum Frühjahr stehen lassen. Praxisnahe Tipps dazu gibt es hier: https://www.hlnug.de/themen/naturschutz/tiere-und-pflanzen/insekten/insektenschutz/praxis-massnahmenblaetter.
Zum Thema Insektenschutz bietet das HLNUG eine Broschüre sowie eine Wanderausstellung an, die von anderen Behörden und Institutionen ausgeliehen werden kann: https://www.hlnug.de/themen/naturschutz/tiere-und-pflanzen/insekten/insektenschutz
Hintergrund Insektenmonitoring
Um zum Schutz von Insekten die richtigen Schritte und gezielte Fördermaßnahmen einleiten zu können, ist es wichtig, eine ausreichende Datenbasis vorzuhalten und die langfristige Entwicklung von Insekten zu ermitteln. Daher hat die Bundesregierung im Rahmen des „Aktionsprogramms Insektenschutz“ ein bundesweit einheitliches Insektenmonitoring festgelegt. Dieses besteht im Wesentlichen aus zwei Säulen: dem Monitoring häufiger Insekten und dem Monitoring seltener Insekten bzw. Insekten in seltenen Lebensräumen. Dabei werden vor allem Insektengruppen untersucht, die eine gute Zeigerwirkung für die Qualität des jeweiligen Lebensraums haben.
In Hessen wurden im Jahr 2020 erstmalig die Heuschrecken als Insektengruppe aus dem Monitoring häufiger Insekten mit guter Indikatorfunktion für das Grünland ausgewählt. Im Jahr 2021 wurde die Wildbienen- und Wespenfauna auf 22 repräsentativen Grünland-Stichprobenflächen in Hessen untersucht. Dabei konnten über 50 Prozent der hessischen Wildbienen- und etwa ein Drittel der Wespenarten nachgewiesen werden. In diesem Jahr sollen Laufkäfer und bodenlebende Spinnen im Grünland, Tagfalter und Widderchen im Grünland und Acker, Wildbienen und Wespen in Siedlungen und Trockenen Heiden, sowie Heuschrecken im Grünland und auf Flachland- und Bergmähwiesen erfasst werden.
Weitere Informationen zum bundesweit einheitlichen Insektenmonitoring finden Sie unter: https://www.hlnug.de/themen/naturschutz/tiere-und-pflanzen/insekten/insektenmonitoring