Das Thema Bodenausprägung und Unterlagenwahl ist seit Jahrzehnten ein etabliertes
Arbeitsgebiet in der Rebenzüchtung und Bestockungsberatung. In Hessen findet die
Unterlagenempfehlung ihren Ursprung in der Standortkartierung, die bis zur Mitte des letzten
Jahrhunderts zurückreicht. Für die standortgerechte Bestockung wurden Planungsgrundlagen
schon 1947 durch eine systematische Bodenkartierung der Weinbaugebiete von Hessen im
Maßstab 1 : 2 000 bis 1 : 2 500 erstellt. Parallel wurden für die Praxis anwendbare
Bewertungsschemata aus den damaligen Adaptionsprogrammen zur Bodenverträglichkeit der
wichtigsten Unterlagensorten zusammengestellt (Becker et al. 2004). Die Wahl falscher, für den
Standort ungeeigneter Unterlagen und die damit verbundenen Probleme sind jedoch nach wie vor
weit verbreitet. Es bedarf also detaillierter Standortdaten und eine auf die spezifische
Anbauausrichtung zugeschnittene Beratung. Weiterhin gilt es neu gezüchtete Unterlagen
entsprechend des angestrebten Edelreises, des Anbausystems und der Standortverhältnisse zu
bewerten.
Der WeinbaustandortViewer Hessen repräsentiert ein Werkzeug zur Ermittlung standortgeeigneter
Unterlagen unter Beachtung eines bevorzugten Standraumes der Reben und verschiedenen
Begrünungsvarianten.
1. Einstufung der standortgerechten Unterlagenempfehlung
Die EDV-technische Aufarbeitung der bodenkundlichen Weinbergsbodenkartierung im Rahmen der
Bodenflächendaten 1 : 5.000 bietet die Möglichkeit einer großmaßstäbigen und flächendeckenden
Auswertung. Zu diesem Zweck wurden auf Basis der Legendendaten zwei Schemata als
Gemeinschaftsprojekt der Forschungsanstalt Geisenheim, Regierungspräsidium Darmstadt -
Weinbauamt Eltville und dem Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie entwickelt
(Meschede et al. 2005). Mit dessen Hilfe lässt sich die Eignung verschiedener Pfropfkombinationen
bei kategorisierten Standortfaktoren in einer vierstufigen Skala bewerten.
Die Auswahl einer geeigneten Unterlage hat dabei grundsätzlich zum Ziel:
- hohe Weinqualität
- gesundes Lesegut
- gute Mostgewichte
- ausgeglichene Erträge
- der Erziehungsart angepasste Wüchsigkeit
- lange Standzeit der Anlage
Eine Auswahl von Unterlagen kann auch speziellen strategischen Zielen des Winzers dienen, um
den Most- /Weincharakter bewusst in eine spezielle Richtung zu lenken oder eine spezifische
Nische zu besetzen. Hier kann die Auswertung ebenfalls eine Orientierung bieten.
Die Standortkundliche Bewertung erfolgt in 2 Schritten. Die Grundlage des ersten Schemas in Abb.
1 basiert auf der Ableitung der nutzbaren Feldkapazität (nFK, die im Boden gegen die Schwerkraft
gebundene, pflanzenverfügbare Wassermenge). Der Wasserhaushalt beeinflusst maßgeblich die
Wüchsigkeit der Rebsorten. Ein ausreichend mit Wasser versorgter tiefgründiger Lehmboden
verstärkt die Wüchsigkeit. Gleichfalls unterscheiden sich die einzelnen Rebsorten in ihrer
Wuchsleistung. Stark wüchsige Sorten bedingen auf Standorten mit einer hohen nFK ein zu
starkes Holzwachstum der Pfropfrebe und verursachen damit den Aufwand für die Laubarbeiten und
erhöhen das Infektionsrisiko z.B. für Pilzbefall.
Abb. 1 Einfluss des Wasserspeicherungsvermögens von Böden und Pflanzabstand auf die
standortspezifische Eignung von Unterlagen (- nicht geeignet, o bedingt geeignet, + gut geeignet,
++ sehr gut geeignet)
Unterlagensorten sowie Edelreise sind in unterschiedlichem Maße kalkempfindlich, die
Burgundersorten z.B. stärker als der Riesling. Dabei führen höhere Kalkgehalte des Bodens häufig
erst in Verbindung mit dem Auftreten von Staunässe zu einer Störung des Stoffhaushaltes der
Rebe, wie z.B. der Eisenmangelchlorose. Besonders betroffen hiervon ist die aufgrund ihrer
weitgehenden Reblausresistenz beliebte Börner-Unterlage. In einem zweiten Schema wird daher
die Kalk- und Staunässeverträglichkeit der Pfropfkombinationen bewertet (vgl. Abb. 2).
Abb. 2 Bewertung von Kalkgehalt und Staunässe in Bezug zur Eignung der Unterlagen
(- nicht geeignet, o bedingt geeignet, + gut geeignet, ++ sehr gut geeignet)
Um die Bestimmung einer standortgeeigneten Unterlage im Hinblick auf den Boden und die
verwendete Edelreissorte unter Berücksichtigung von Bewirtschaftungsfaktoren wie Standweite und
Begrünung zu erleichtern, wurde eine Gesamtbewertung aus beiden oben beschriebenen
Schemata für die wichtigsten Edelreis-Unterlagssorten- Kombinationen entwickelt.
Da bei der Neuanlage eines Weinberges neben der Ertragssorte die Form der Bodenpflege und die
gewünschten Standorte im Vorhinein feststehen sollten, werden diese in der Anwendung als
Auswahlparameter defininiert. Es wird also die Eignung einer Pfropfkombination bei bestimmten
Bewirtschaftungsfaktoren unter den gegebenen Bodenverhältnissen bestimmt und als Ergebnis
dargestellt. Die Gesamtbewertung für einen Standort erfolgt durch Addition der Werte aus beiden
Schemata. Weist eine Pfropfkombination dabei mindestens in einer der beiden Matrizen ein ‘-’ bzw.
‘o’ auf, so wird sie für den entsprechenden Standort auch insgesamt als nicht geeignet eingestuft.
Dementsprechend gilt: je größer die errechnete Summe, desto besser die Standorteignung. Die
bestmögliche Eignung weisen Edelreis- Unterlagssorten-Kombinationen mit sechs Punkten auf.
Handhabung des Viewers für die Auswahl der standortgerechten Eignung von Unterlagen
Die an der linken Bildleiste befindliche Rebe dient als Startknopf zum Modul „Unterlageneignung“,
das nach Vorgabe des Anbausystems für eine gewünschte Fläche eine Empfehlung erstellt.
Ein Klick auf das Symbol der Anbaueigungsoption im linken Anwendungsmenu öffnet das
Abfragefenster. Im ersten Schritt werden Vorgaben für das Anbausystem abgefragt: Edelreis,
Pflanzabstand und Begrünung sind anzugeben.
- Rebsorte wird vorgewählt (z.Zt. verfügbar)
- Weißer Riesling
- Blauer Spätburgunder
- Pflanzdichte wird angegeben:
- Dichtpflanzung
- Normalanlage
- Weitraumanlage
- Beabsichtigte Bodenbearbeitung
Nach der Definition des Anbausystems klicken Sie auf „Bodenfläche auswählen“. Falls die Karte
„Bodengruppen“nicht die aktive Karte auf dem Bildschirm ist, wird diese automatisch geladen.
Wählen Sie nun per Mausklick in der Karte eine Einheit aus, für die eine Anbauempfehlung
ermittelt werden soll.
Im Fenster „Anbaueignung-Empfehlung“ wird das Ergebnis der Abfrage dargestellt. Das Beispiel
zeigt das Ergebnis für die Bodeneinheit 13, unbegrünt mit mittlerem Pflanzabstand für Riesling-
Edelreis. Neben der Unterlagenempfehlung werden zusätzlich die für eine Standortbewertung
maßgeblichen Bodenkennwerte der ausgewählten Fläche dargestellt. Bei der Betrachtung einer
Rebfläche ist darauf zu achten, dass hier unterschiedliche Standortverhältnisse vorliegen können
und dadurch auch unterschiedliche Empfehlungen zum Tragen kommen. Gemäß der
Flächenanteile und der Einschätzung der Substrate nach Geländebefund ist dann eine einheitliche
oder ggf. auch differenzierte Bestockung anzustreben.